Angewidert von der „großen Schweinerei dieses blödsinnigen Krieges“, den er als deutscher Soldat schwer traumatisiert überlebt hatte, war er 1919 Mitbegründer der Kölner Dada-Gruppe. Er wurde auch zum Pionier des Surrealismus, erfand Techniken wie die Frottage oder das Drip Painting, schuf Traumbilder, Collagen und Skulpturen und war mit illustren Damen verheiratet, unter ihnen die Kunstmäzenin Peggy Guggenheim.
Wer bisher das Schaffen von Max Ernst kennenlernen wollte, musste beispielsweise das Guggenheim-Museum in Venedig besuchen, wo Gemälde wie „Einkleidung der Braut“ (siehe oben) Nachgeborene wie Ernst Fuchs oder Arik Brauer beeindruckten. Ab Samstag, 6. Mai, ist das komplexe Werk des 1976 verstorbenen Multitalents auch in der Künstlerstadt Gmünd zu bestaunen. Zumindest in seinen wesentlichsten Elementen.
„Mit mehr als 80 Lithografien, Radierungen, Collagen und Kleinplastiken spannen wir einen Bogen von den 1920ern bis in die 1970er-Jahre“, umreißt Kuratorin Julia Schuster das Wesen der Ausstellung. Den Großteil davon steuerte die auf Druckgrafik spezialisierte Kölner Galerie Boisserée bei. Unter den Leihgaben befinden sich aber auch einige Unikate, darunter zwei Frottagen, also „Abreibungen“ nach Naturmotiven, sowie ein kleines Ölgemälde aus Privatbesitz. „Wir zeigen auch drei komplette Grafikserien“, so Schuster, die das unterste Geschoß der Stadtturmgalerie als eine Art „Einführung“ gestaltete. Hier trifft man neben bronzenen Schachfiguren des begeisterten Spielers auch auf eine 8-teilige Serie von Farbradierungen („Schnabelpaar“), die wie die Reihe „Vögel in Gefahr“ von der magischen Beziehung des Künstlers zum Federvieh erzählt. „So wie Picasso sein Alter Ego in Form eines Stieres auf die Leinwand bannte, bediente sich Max Ernst eines Vogels namens Loplop“, sagt Schuster über den Autodidakten, der in einem biografischen Text über seine „Geburt aus einem Vogelei“ fantasierte. Erfahrungen mit Hypnose, dem Volk der Hopi oder die Einnahme von Halluzinogenen dürften am Entstehen dieser Privatmythologie und ihrer sonstigen Mischwesen nicht unwesentlich beteiligt gewesen sein. Einflüsse von De Chirico, Van Gogh oder der Romantiker taten das Ihrige.
"Nicht harmonisch"
„Wie mein Leben ist auch mein Werk nicht harmonisch. Aufrührerisch, ungleichmäßig, widersprüchlich, ist es für die Spezialisten der Kunst (....) unannehmbar. Es hat dafür die Gabe, meine Komplizen zu bezaubern – die Dichter, die Metaphysiker und ein paar Analphabeten“, befand Max Ernst über sein Schaffen. Bezaubert hat der Mann mit dem Vogelgesicht auch die Frauenwelt. „Er war vier Mal verheiratet und hatte unzählige Geliebte“, weiß Schuster und verweist auf Fotos von Edward Quinn, die Ernst unter anderem in Begleitung der amerikanischen Malerin Dorothea Tanning zeigen. Mit ihr verbrachte der einst von den Nazis verfolgte „Vagabund“ in der Provence seinen Lebensabend.
Ein eigenes Geschoß ist den Buchillustrationen des fleißigen „Dadamax“ gewidmet. „Er dürfte um die 100 Bücher illustriert haben“, schätzt Schuster, die mit vier zeitgenössischen Beiträgen – Irene Andessner warf sich beispielsweise als Peggy Guggenheim in Pose – auch dessen Nachwirkungen vor Augen führt.
„Ein Maler ist verloren, wenn er sich findet“, lautete eines von Ernsts Bonmots. Zum Glück ist er seinem Namen nur selten treu geblieben und hat sich nie ganz gefunden. Wer übrigens an einem originalen Vogel des originellen Künstlers interessiert ist, kann einen solchen im Museumsshop erwerben. Preis eines Loplops: rund 7000 Euro.