Es ist ein ambitionierter, farbenreicher, spannender Spielplan, den Ulrich Lenz vorlegt. Optimisten werden ihn mutig nennen, Pessimisten riskant. Der neue Intendant setzt jedenfalls auch inhaltlich darauf, was auf dem Cover des Programmbuchs steht: „Oper, öffne dich!“
Ulrich Lenz ist nicht Ali Baba, aber er hat nach der „bestmöglichen Übergabe“ durch seine Vorgängerin Nora Schmid doch einige Schätze parat. „350 Jahre Operngeschichte decken wir ab und weiten die Ränder aus“, sagte der 52-jährige Deutsche mit Verweis auf die aufwendige Ballett-Komödie „Der Bürger als Edelmann“ von Molière und Jean-Baptiste Lully, an der neben der Tanzcompagnie auch Kolleginnen und Kollegen vom Schauspielhaus beteiligt sind, und der Opernballade „Schlaflos“ von Peter Eötvös, einer "tragischen Geschichte von Armut und Ausgrenzung" nach einer Erzählung von Jon Fosse, 2021 in Berlin uraufgeführt und erstmals in Österreich zu sehen.
Eingefleischte Fans klassischer Opern werden nur zwei Mal fündig: Bei „Hoffmanns Erzählungen“ von Jacques Offenbach deuten drei Regieteams (u. a. Neville Tranter) die Geschichten der drei Frauen Olympia, Antonia und Giuletta, Tobias Ribitzki setzt die inszenatorischen Klammern in Akt 1 und 5. Lenz will damit „unterschiedliche Ästhetiken“ betonen. Dieser Saisonauftakt ist zugleich auch der Einstand für den deutschen Johannes Braun als Erster Kapellmeister am Haus.
Verdis „Macbeth“ ist das erste Musiktheaterprojekt, mit dem sich Vassilis Christopoulos als neuer Chefdirigent vorstellt. Der Nachfolger von Roland Kluttig, der ebenfalls „einen nahtlosen Übergang“ ermöglicht habe, wird zudem bei Eötvös am Pult stehen und freut sich auch auf seine sonstigen Aufgaben: vom „Don Juan“ von Richard Strauss beim Eröffnungskonzert über ein spritziges Neujahrskonzert unter dem Motto „Vive la France!“, vom Sonderkonzert mit Franz Liszts vernachlässigter Dante-Sinfonie bis zu den „Auswärtsspielen“ im Musikverein, zu denen der Grieche jeweils auch ein Stück aus der Heimat mitbringt.
Eine echte Rarität ist, zumindest hierzulande, „Die Nachtigall von Gorenska“. Ein Land südlicher nicht: Das romantische Werk aus dem Jahr 1872, laut Intendant Lenz der „Verkauften Braut“ von Smetana ähnlich, ist die slowenische Nationaloper. Ein Team aus Ljubljana um den Dirigenten Marko Hribernik wird sie in Originalsprache auf die Bühne bringen, ein Mitschnitt für das deutsche Label cpo soll das Juwel auch auf CD verewigen.
Seit 40 Jahren steht wieder einmal ein Werk des Grazer Komponisten Robert Stolz auf dem Programm, passend zur Eröffnung des Robert-Stolz-Museums in der Theodor-Körner-Straße Ende Juni. Die Operette "Venus in Seide" bringt bekannte Gesichter auf die Bühne: TV-Star Ferry Öllinger und die Sängerin Ildikó Raimondi werden das Ensemble ergänzen.
Der Bogen auf dem Spielplan spannt sich weiters zwischen dem Familienmusical „Tom Sawyer“ von Kurt Weill und der Jugendoper „Krieg. Stell dir vor, er wäre hier“ von Marius Felix Lange nach dem gleichnamigen Buch der dänischen Bestsellerautorin Janne Teller, zwischen dem Musical „Crazy For You“ von George Gershwin und vier großen Tanzproduktionen.
Dazu hat Neo-Intendant Lenz einen neuen Ballettdirektor mitgebracht. Dirk Elwert, aus Gelsenkirchen stammend, „das ist die Stadt um Schalke 04“, wie er sich bei der Saisonpräsentation launig vorstellte. Als nicht selbst choreographierender Künstler, aber ewig in Ballett vernarrt, will er ebenso ein weites Spektrum bieten, von „Orlando“ nach Virginia Woolf von Marguerite Donlon bis zu den „Bach Variations“, für die sich gleich drei Choreographen von den Klängen des Thomaskantors inspirieren lassen, Andonis Foniadakis etwa von dessen Passionschorälen.
Der Selbstauftrag „Oper, öffne dich!“ gilt übrigens auch für Außenwirkung und Teilhabe. Zum Beispiel für nunmehr zwei Werke in Audio-Deskription. Für einen Spaziergang namens „Kirschenrummel“, der einen tragischen Hintergrund hat. Oder für das „Opernpucherl“ mit dem man durch die Lande zieht. Wir verraten nur so viel: ein sagenhafter Thespiskarren namens Puch 500.Stadt (Mai/Juni).
Michael Tschida