Ich könnte meine Musik mit weißem Licht vergleichen, das alle Farben enthält. Nur ein Prisma kann die Farben teilen und sie zum Vorschein bringen; dieses Prisma könnte der Geist des Zuhörers sein.“
Arvo Pärt ist mit seinem eigenwilligen, asketischen Personalstil zu einem Archaiker der Moderne geworden. Seine Kompositionen entfalten sich aus Urkernen von Dreiklangsformen zu einer Art „unendlichem Mikrokosmos“. Der Este nennt seine Welt der stabilen Muster voller Einfachheit und harmonischer Balance den „Tintinnabuli“-Stil, weil sie der Struktur nach Glockenklängen (lat. tintin-nabuli = Glöckchen) ähneln. „Tintinnabulation ist ein Raum, in den ich gehe, wenn ich nach Antworten suche – in mein Leben, in meiner Arbeit, in meiner Musik. In meinen dunklen Stunden habe ich das Gefühl, dass außerhalb dieses Raums nichts mehr existiert, was Bedeutung hat.“
Pärts spartanische und zugleich doch so dichte Klänge sind exemplarisch auch in seiner „Passio Domini nostri Jesu Christi secundum Joannem“ zu bestaunen, die 1982 in München uraufgeführt wurde. Nun verspricht Intendant Mathis Huber für sein Festival Psalm eine neuerliche Uraufführung. Kann er auch. Denn statt der obligaten Instrumentalbesetzung mit Oboe, Fagott, Violine, Violoncello und Orgel sind vier Saxofone und Orgel zu hören.
Das berühmte Raschèr Quartet bekam von Pärt die Erlaubnis für eine Fassung für Sopran-, Alt-, Tenor- und Baritonsaxofon. Unter Franz M. Herzog wird das New Yorker Ensemble samt Christian Dolcet (Orgel), dem Vocalforum Graz und exquisiten Solisten um Gerd Kenda als Jesus das auratische Sakralwerk erstrahlen lassen. Am Karfreitag in der List-Halle kann man ganz Prisma sein.
Kompletter Konzertmitschnitt aus der St. Paul's Chapel, New York City (2020)
Michael Tschida