Netrebko, Kaufmann, Garanča und dann auch noch Luca Salsi als Amonasro – es gibt keine Bühne der Welt, die Metropolitan Opera mit eingerechnet, auf der man eine solche Besetzung zu sehen bekäme. Allerdings auch deshalb, weil Anna Netrebko noch immer nicht in allen Opernhäusern willkommen ist. (Eine ausführliche Darstellung des "Fall Netrebko" von meinem Kollegen Michael Tschida finden Sie hier.)
An diesem Gala-Abend, dem ersten von vier komplett ausverkauften, konnte man sich, abgesehen von etwaigen moralischen Überlegungen zu Netrebkos Engagement, auf die Musik konzentrieren. Das Bühnengeschehen ist zwar nicht wirklich werkdienlich, aber hinreichend unauffällig. Auch weil bei der „Auffrischung“ der Uraltinszenierung der „Aida“ von 1984 auf die Personenführung vergessen worden ist. Die Opernstars stehen in bizarren Glitzerkostümen herum, ganz ihrem eigenen darstellerischen Geschick überlassen. Was eine Inszenierung, die ohnehin so aussieht, als wären die alten Ägypter in einen Archäologiepark mit den steinernen Überresten ihrer Hochkultur eingezogen, nicht wirklich auf Trab bringt.
Aber, wie gesagt, es geht ja um die Musik. Die Primadonna Assoluta Anna Netrebko ist eine hinreißende Aida: kein bemitleidenswertes Geschöpf, sondern eine zum Heldentum bestimmte vokale Tigerin. Klangpracht, Intensität, aber auch Poesie sind bei dieser Darstellung von femininem Trutz reichlich vorhanden. Die hohe Lage funkelt und Netrebkos unverwechselbar dunkel-sinnlich timbrierter Sopran hat auch in einem schwebenden Piano noch Körper und Farbe. Unfassbar, wie Netrebkos Stimme sich im „Pezzo concertato“ im 2. Akt über das Ensemble legt und hörbar bleibt, ohne aufdringlich zu wirken.
Mezzo Elīna Garanča singt die Amneris fulminant: Sie führt die Stimme durch alle Anforderungen der Partie und gibt der verschmähten Prinzessin eine – hier sehr gut passende – kühle Aura, die sie in absolut grandiosen dramatischen Momenten durchbricht. Wobei auch die anrührenden „Pace“-Töne im Finale in Erinnerung bleiben werden. Tenor Jonas Kaufmann müht sich mit dem Radamès lange ab und beeindruckt erst „nur“ mit seiner bekannt opulenten baritonalen Mittellage. Die Stimme offenbart Verschleiß: Die hohe Lage wirkt oft gestemmt und gequält, in der Spitze falsettiert er gern. Das „Celeste Aida“ versemmelt Kaufmann halb, es klingt unausgewogen und lässt kehlige Laute vernehmen. Erst bei der Konfrontation mit Amneris wird dieser Radamès präsent und verwandelt sich in einen Heerführer, dem Dramatik zu Gebote steht.
Wunderbar idiomatisch singt Luca Salsi den Amonasro, ein gut sitzender Verdibariton, klangvoll und schön, männlich, doch mit der nötigen Weichheit. Die weiteren Partien sind sehr gut besetzt: Alexander Vinogradov als Ramfis, Ilja Kazakov als König. Nicola Luisottis Dirigat am Pult des Staatsopernorchesters ist solide, aber nicht packend, streckenweise sogar spannungsarm. Die großen Tableaus sind zwar laut, aber federn nicht, manches wirkt verschleppt.