Der Gesetzesentwurf zur Zukunft der "Wiener Zeitung" ist in Begutachtung gegangen. Das Bundesgesetz soll mit 1. Juli 2023 in Kraft treten und sieht die "Wiener Zeitung" künftig als Online-Medium. "Nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden Mittel" soll die älteste noch erscheinende Tageszeitung der Welt auch in Print erscheinen - wohl als Monatstitel. Der Bund steuert mit Anfang 2023 jährlich insgesamt 16,5 Millionen Euro bei. Stellungnahmen sind bis 30. November möglich.
Von den 16,5 Millionen Euro sind 7,5 Millionen für den Betrieb des Online-Mediums und der potenziellen Printpublikation vorgesehen. Die Umstellung muss laut Gesetzesentwurf bis spätestens 31. Dezember 2023 vollumfänglich umgesetzt werden.
Für den neu einzurichtenden Media Hub Austria fließen jährlich sechs Millionen Euro. Dieser Hub soll die Weiterentwicklung des Medienstandorts Österreich fördern, indem "eine praxis- und zukunftsorientierte Weiterbildung für Journalistinnen und Journalisten angeboten, Innovationskraft gefördert und Medienkompetenz vermittelt wird". Journalistinnen und Journalisten sollen dort auf "zukünftige Erfordernisse des Medienmarkts" vorbereitet werden. Zudem müssen Praxisplätze bei der "Wiener Zeitung" und bei Kooperationspartnern und -partnerinnen bereitgestellt werden. U.a. sieht das Gesetz auch vor, dass die Wiener Zeitung GmbH Bürgerinnen und Bürgern Medienkompetenz vermittelt.
Drei Millionen für die elektronische Informationsplattform
Die verbleibenden drei Millionen Euro fließen in die elektronische Verlautbarungs- und Informationsplattform des Bundes (EVI), die bei der Wiener Zeitung GmbH eingerichtet wird. Die bisher in der Tageszeitung im Amtsblatt gedruckten Pflichtveröffentlichungen haben künftig dort zu erfolgen. Eine Digitalisierungsrichtlinie der EU war Anlass, eine Gesetzesänderung vorzunehmen. Diese Richtlinie sieht vor, dass Unternehmensinformationen - und damit auch die Pflichtveröffentlichungen im Amtsblatt - an einer zentralen Stelle veröffentlicht werden müssen. Damit fiel eine große Einnahmequelle der "Wiener Zeitung" weg.
Prominentes Personenkomitee
Gegen die Pläne zur Einstellung der Tagesausgabe der "Wiener Zeitung" formierte sich ein prominent besetztes Personenkomitee. Heinz Fischer, Rudolf Anschober, Doris Bures, Irmgard Griss, Michael Häupl, Othmar Karas, Wolfgang Katzian, Michael Ludwig, Reinhold Mitterlehner oder auch Erwin Pröll und Franz Vranitzky appellieren an die Bundesregierung, das Gesetz so nicht zu verwirklichen. "Die 'Wiener Zeitung' stellt als älteste noch bestehende Zeitung der Welt ein Kulturgut erster Güte dar", heißt es in einem Schreiben, das der APA vorliegt. Mit ihrer unabhängigen Redaktion habe die Zeitung Maßstäbe für einen in der Demokratie unverzichtbaren Qualitätsjournalismus in einer "zunehmend inhaltlich verarmenden Medienlandschaft" gesetzt.
Die Unterzeichner betonen, dass es ihnen nicht um altmodische Erhaltung von Traditionen gehe. "Mit Initiativen zur Digitalisierung, E-Paper und einem News-Room hat die Redaktion selbst mit ihrem Qualitätsjournalismus längst Weichenstellungen ins moderne Medienzeitalter vorgenommen und gelebt." Die Unterzeichner appellieren, die "Wiener Zeitung" in ihrer bisherigen Weise in einer Übergangszeit von 18 Monaten weiterzuführen. In diesem Zeitraum sollen Redaktion und ihre gewählten Vertreter gemeinsam mit dem Personenkomitee nach Lösungen für eine Fortführung dieses "weltweit einzigartigen Zeitungsprojektes" suchen. Die Regierung wird angehalten, dazu in einen konstruktiven Dialog einzutreten.
"Wiener Zeitung"-Geschäftsführer Martin Fleischhacker ging indes Vorwürfen des Redaktionsbeirats nach, wonach Abo-Interessenten die Auskunft erhielten, die "Wiener Zeitung" existiere mit Anfang nächsten Jahres nicht länger. Man habe bei sämtlichen in Betracht kommenden Mitarbeitern und Dienstleistern rückgefragt, teilte Fleischhacker der APA mit. Von sämtlichen in Betracht kommenden Personen werde es "entschieden in Abrede gestellt, eine derartige Auskunft erteilt bzw. Aussage getroffen zu haben". Es habe ein Briefing für das interne Customer Service und das externe Aboservice stattgefunden. Auch die Geschäftsführung habe keine derartige Weisung erteilt.
Fleischhacker habe sich zudem die Abo-Zahlen der vergangenen Woche angesehen. "Es wurden letzte Woche täglich Print-Abonnements im üblichen Ausmaß abgeschlossen. Diese ganze Sache ist mir also wirklich absolut unverständlich", hielt er fest. Antworten des Redaktionsbeirats auf seine Fragen zur Angelegenheit habe er bisher nicht erhalten.