Links vorne, da fehlt er seit geraumer Zeit. Seit 2004 war Harald Martin Winkler Konzertmeister des Orchesters Recreation Graz. Freiwillig weg? Unfreiwillig? Im Streit? „Der Bruch war schon eine große Enttäuschung“, sagt der aus Knappenberg in Kärnten stammende Geiger.

Es sei um Meinungsverschiedenheit zwischen ihm und Intendant Mathis Huber im Umgang mit den durch Corona bedingten Schutzmaßnahmen im Orchester gegangen, erklärt Winkler. „Ich bin ein emotionaler Mensch, aber immer der Sache verpflichtet, und halt ein Weltretter, der glaubt, immer auch für andere sprechen zu müssen“, gesteht der 47-Jährige. Gerade im Ensemble sei das allerdings auch seine Pflicht gewesen – eine gewisse „Prellbockfunktion“ als Stimmführer im musikalischen wie funktionellen Sinn.

Aber sein Blick zurück ist keiner im Zorn, im Gegenteil: „Ich habe bei Recreation so enorm viel gelernt und so unglaublich schöne musikalische Erlebnisse gehabt“, schwärmt Winkler. Besonders in Erinnerung sind ihm die Zeiten mit den Chefdirigenten Andrés Orozco-Estrada (2005–2009) und Michael Hofstetter (2012–2016), dessen „so ehrgeizige wie feinfühlige Vision vom idealen Klang“ der Ausnahmegeiger bewundert.

Auf der Suche nach Klangidealen ist Winkler selber immer – und jetzt noch vertieft. Zuletzt etwa bei einem Seminar über Frequenzen und Resonanzen. Weil es mit Recreation und den Philharmonikern ja nur zwei große Orchester in Graz gibt und Konzertmeister hier also nicht gerade gesucht sind, beschäftigt sich Winkler – Leiter einer Violinklasse am Fux-Konservatorium und unter anderem in seinem Girardi Ensemble aktiv – nach dem Abschied vom Haus styriarte nun mit anderen künstlerischen Wegen. Einen davon nennt er „Berührungsmomente“: Mit seiner Geige und mit orchestraler Begleitung vom Band via Tablet und Bluetooth-Box ist er quasi ein Ein-Mann-Orchester, das bei Jubiläen genauso spielen kann wie in Wohnzimmern. Für einen Todkranken hat er das auch schon getan, „das war sehr bewegend für beide Seiten“.

Auch so kann Winkler sein Credo leben: „Wenn wir Menschen uns als emotionale Wesen erfahren, auch über und mit Musik, können wir immer mehr Gräben mit Brücken ersetzen und brauchen keine Angst mehr haben, uns durch konträre Sichtweisen anders zu erleben.“