Als „große Gruppenarbeit“ schilderte der Wiener Komponist Walter Werzowa die Entstehung des Projektes „Beethoven X“, an dem er gemeinsam mit Matthias Röder (Direktor des Salzburger Karajan-Instituts) und Programmierer Ahmed El Gammal von der US-amerikanischen Rutgers University rund zweieinhalb Jahre zusammengearbeitet hat.
Mit einem interessanten Expertengespräch, musikalisch umrahmt vom Noreia String Quartet und nur kurzen Ansprachen eröffnete Intendant Holger Bleck Samstagabend im Villacher Congress Center den 54. Carinthischen Sommer. Das Aufeinandertreffen von Mensch und Maschine, von Musik und Technologie stand an diesem Abend im Rampenlicht. Nicht nur Intendant Bleck, auch Landeshauptmann Peter Kaiser erinnerte sich an den Sieg des Computers „Deep Blue“ über Schachweltmeister Garri Kasparow in den 1990er Jahren.
Wettkampf fand zwar keiner statt vor dem neugierigen Eröffnungspublikum, spannend war es trotzdem. Denn das Ensemble Prisma unter der Leitung von Thomas Fheodoroff lud zum Vergleich ein: Beginnend mit Ludwig van Beethovens erstem Satz des Violinkonzerts in C-Dur, das 1875 von Joseph Hellmesberger der Ältere vervollständigt worden war, und ausklingend mit Beethovens 5. Sinfonie, bildete die aus Fragmenten rekonstruierte und durch Künstliche Intelligenz fortgeschriebene 10. Sinfonie den Schwerpunkt des Konzerts. Uraufgeführt 2021 in Bonn anlässlich des 250. Geburtstags von Beethoven erlebte sie zum Auftakt des Musikfestivals ihre österreichische Erstaufführung.

Kleinteiliger Klangteppich

Als Grundlage für die Neukomposition dienten nicht nur die wenigen Originalskizzen Beethovens, seine neun vollständigen Sinfonien, Klaviersonaten und Kammermusik, sondern auch Fugen von Bach und Werke von Mozart und Haydn. Herausgekommen ist bei dem Experiment ein kleinteiliger Klangteppich, instrumentiert wie die 9. Sinfonie, ergänzt um eine Orgel (für die Beethoven allerdings nie geschrieben hat).
Die sollte, gespielt von Johannes Zeinler, „sakrale Elemente“ in die Komposition einfließen lassen, wie Dirigent Fheodoroff im Expertengespräch erläuterte. Er führte sein engagiert musizierendes Orchester souverän durch die vom Computer geschaffenen Motive, denen man ihre realen Vorbilder oft anhören kann. So etwa das Thema im dritten Satz der 5. Sinfonie Beethovens, die abschließend auf dem Programm stand.
Dabei konnte man eine weitere Form von „Gruppenarbeit“ erleben - die des Orchesters. Dynamisch und voll Freude interpretierte das Ensemble Prisma auf seinen historischen Instrumenten Beethovens „Fünfte“ unter der umsichtigen Leitung von Dirigent Fheodoroff. Diese Gegenüberstellung mit dem KI-Projekt machte deutlich, was dem auf Algorithmen basierenden, verspielten Werk fehlt: die Seele eines Genies. So perfekt die Konstruktion, so leblos das Ergebnis.

Das Match ging eindeutig zu Gunsten des Originals aus: Während das Publikum für das interessante Experiment „Beethoven X“ mit höflichem Applaus dankte, feierte es die Interpretation der Schicksals-Sinfonie mit minutenlangem Jubel ... Da-da-da-daaa...