Starkregen hatte dem Nova Rock-Festival, konkret dem Boden auf dem Gelände, zugesetzt, am Ende des ersten Tages herrschte dann aber doch "Hysteria". Muse, der klare Headliner des Auftakts, vergaß nicht auf diesen Klassiker und zog eine druckvolle Performance ab, wobei das Trio neben einer gelungenen Lichtshow vor allem auf härtere Klänge setzte.
Der Organisation und den Besuchern kosteten die witterungsbedingten Umstände nicht nur einiges an Nerven. Das Publikum musste wegen des verspäteten Beginns auf einige Bands verzichten, weil der komplett durchweichte Untergrund erst wieder festivaltauglich gemacht wurde. Die Mehrkosten für Material und Personal gehen für die Veranstalter "in die Millionen", so Intendant Ewald Tatar. Er zeigte Verständnis für den Unmut angesichts der Staus bei der Zufahrt, weil einige Parkflächen nicht befahrbar waren, betonte aber auch: "Acht von zehn Festivals hätten abgesagt."
Geduld hat sich gelohnt
Zumindest für die Fans von Muse hat sich die Geduld jedenfalls gelohnt: Die britische Formation, deren neues Album "Will of the People" im Sommer erscheint, ließ sich nicht lumpen und powerte durch ein Set, das vor allem in der ersten Hälfte ganz dem Festivalnamen entsprach. Flammen loderten, beim Opener wurden Masken getragen und nicht zuletzt der Sound sorgte für ein durch den ganzen Körper fahrendes Erlebnis. Dass da die Show ein bisschen auf der Strecke blieb, sah man Sänger Matt Bellamy und Kollegen gerne nach - immerhin wurde hier herzhaft musiziert, ohne nur auf große Effekte zu setzen.
Wie man mit einer pointierten und aufs Wesentliche reduzierten Show punkten kann, bewiesen die US-Politrocker Rise Against: Die Band um Sänger Tim McIlrath wusste allen voran mit ihren Songs zu überzeugen, ließ das Publikum bei "Prayer of the Refugee" laufen, servierte den eingängigen Titelsong des neuen Albums "Nowhere Generation" oder ließ mit "Hero of War" auch äußerst nachdenkliche Töne zu. So intensiv und gesellschaftskritisch viele Inhalte sein mögen, so sehr will die Gruppe eine positive Stimmung verbreiten: "Ich finde es gut und wichtig, dass unsere Songs auch einen Silberstreifen am Horizont beinhalten", meinte McIlrath vor dem Gig im Interview.
"Küss die Hand, Nova Rock!" Marco Pogo weiß, wie er sein Publikum zu umschmeicheln hat. Der Musiker, Buchautor, Kabarettist und Bezirkspolitiker begeisterte mit seiner Band Turbobier auf der Red Stage, EAV-Coversong und Hochlied auf das Feuerwehrfest inklusive. Da durften natürlich auch in die Höhe schießende Flammen und Luftschlangen nicht fehlen - was eben so zu einer zünftigen Rockshow gehört. Nicht zuletzt dankte Pogo den zahlreichen Helfern und Freiwilligen, die besonders bei den heurigen Bedingungen für das Gelingen des Festivals unerlässlich sind.
New Metal geht immer bei Rockfestivals, daher herrschte gute Stimmung bei Evanescence, die einen Schuss Noir, einen soliden Sound und ihre neue Bassistin Emma Anzai mitbrachten. Sängerin Amy Lee setzte sich zwischendurch ans Klavier und erinnerte ihre Fans daran, dass das Leben kurz und daher kostbar ist. Auch wenn das aktuelle Album "The Bitter Truth" sich der Gegenwart nicht ganz verschließt, so war der Auftritt der Amerikaner nicht viel anders als in den 2000er-Jahren.
Eine kraftvolle, mitreißende Performance lieferten Hot Milk auf der Red Bull Stage. Die Band aus Manchester, die ihre Musik als Emo-Power-Pop bezeichnet, aber auch die Energie von Punk und die fetten Gitarren des Rock mitbringt, erhielt entsprechend großen Zuspruch. Sängerin und Gitarristin Han Mee tobte über die Bühne und wagte das Bad in der Menge. "So bin ich einfach", lachte sie im Gespräch. "Wir sind beide Schwachsinnige, wir springen gern herum", ergänzte Jim Shaw, ebenfalls Gesang und Gitarre. "Aber ehrlich: Die Leute sind zu uns gekommen, wir müssen da einfach voll aus uns rausgehen." Am 5. August erscheint die neue EP von Hot Milk, eine Entdeckung wert.
Bei Steel Panther konnte die Red Stage mit ihrem Licht-Potenzial protzen, die Optik war toll, die Band tief. Die Amerikaner machten Hair-Metal und sprachen und sangen pubertär über Sex.
Anstrengend kann das Festivalleben aber nicht nur für das Publikum, sondern auch für Musiker sein. "Wir spielen 19 Shows in 27 Tagen", sagte ein sichtlich müder Gavin Rossdale von Bush im Interview. Die Band schöpfte bei ihrem soliden Auftritt aus der Vergangenheit ("Quicksand", "The Chemicals Between Us"), packte aber auch den Titelsong des aktuellen Albums "The Kingdom" aus. Der Gitarrenteppich war dicht gewebt, Rossdale suchte wiederholt über einen Steg Publikumsnähe, die Ermüdungserscheinungen waren weggeblasen. "Manchmal bekommt man den Eindruck, dass es heutzutage ein Nischenprogramm ist, wenn man in einer Gitarrenband ist. Aber dann kommen 60.000 Menschen zum Nova Rock, um dich zu sehen", zog der charismatische Frontman selbst die zutreffende Bilanz.
Keine Blöße gaben sich die Crossover-Veteranen Clawfinger, deren Darbietung als Opener auf der Red Stage alles andere als in die Jahre gekommen wirkte. Den großen Publikumszuspruch beim Nova Rock konnte Keyboarder und Gitarrist Jocke Skog "total nachvollziehen". "Alle sind froh, dass es wieder Konzerte gibt. Aber nicht nur das. Das Schöne an Festivals ist doch, dass man Leute trifft, die man wegen der Pandemie lange nicht gesehen hat."
Den Schlusspunkt am ersten Festivaltag setzten Haddaway und Dr.Alban als Late-Night-Act, die mit baller(manne)nden Beats und entsprechenden Songs für reichlich Nostalgie sorgten - es durfte also in die Nacht getanzt werden. Das Nova Rock geht am Freitag mit Bands wie Maneskin, Korn und Placebo weiter. Das Open Air ist ausverkauft und endet am Sonntag.