Es war 2017, da debütierte sie als Marie in Bergs „Wozzeck“ bei den Salzburger Festspielen, ein Jahr später feierte sie mit der atemberaubenden Darstellung der „Salome“ ihren internationalen Durchbruch. Kommenden Sommer wird Asmik Grigorian alle drei Frauenrollen in Puccinis „Il Trittico“ singen, wiederum – wie schon in allen Rollen vorher – unter Dirigent Franz Welser-Möst. „Ich liebe es, in Salzburg zu singen. Ich bin sehr dankbar, was das Festival mir gab und gibt. Es ist eine große Freude und Ehre mit Welser-Möst zusammenzuarbeiten“, erzählt Asmik Grigorian.

Ihr Talent wurde ihr quasi in die Wiege gelegt, denn ihr Vater war Tenor, ihre Mutter Sopranistin: „Natürlich wurde ich dadurch motiviert, auch diesen Beruf zu ergreifen und beide waren glücklich darüber“, erzählt die in Vilnius geborene Sopranistin, deren Markenzeichen es ist, ihre Rollen auch schauspielerisch exzessiv auszuleben, und die längst weltweit an allen großen Häusern auftritt: An der Staatsoper Wien etwa wird sie im Oktober als Jenfau in Leoš Janáčeks gleichnamiger Oper zu hören sein.

Und weil sie fast ständig unterwegs ist, gibt sie auf die Frage, wo sie eigentlich wohnt, kurz und bündig „überall und nirgends“ zur Antwort. Apropos Reisen, diese konnte sie auch in Zeiten von Corona absolvieren: „Ich hatte das Glück, ein bisschen weiterarbeiten zu können“, was als Mutter von zwei kleineren Kindern nicht immer einfach sein, „es ist wirklich sehr schwer, die richtige Balance zwischen Beruf und Familie zu finden. Es gibt eigentlich nie genug Zeit für die Familie, und so fühle ich mich den Kindern gegenüber immer schuldig. Aber ich arbeite hart daran, den richtigen Ausgleich zu schaffen.“

Trotzdem nimmt sie sich Zeit für einen Liederabend bei den Taggenbrunner Festspielen, wo sie am 31. Mai vom Pianisten Lukas Geniušas begleitet wird, am 3. Juni ist sie dann auch beim Musikverein Graz zu Gast. Dabei wird sie Lieder von Sergej Rachmaninow, einem ihrer Lieblingskomponisten, singen – hochemotionale Romanzen, die teils einen opernhaften Ton erfordern. Hören kann man sie auch auf ihrem gerade erschienenen Album, das den Titel „Dissonance“ (der Titel eines Liedes) trägt. „Paradoxerweise habe ich meine erste CD in Zeiten von großer Dissonanz – was ja einen Mangel von Harmonie bedeutet – veröffentlicht. Aber jetzt weiß ich, dass der Titel und dieses Thema das schmerzhafte Knirschen in meinem Herzen am treffendsten wiedergibt. Es ist die Dissonanz zwischen Schönheit, Stärke, Mut, Licht und Hoffnungslosigkeit, Angst, Scham und absoluter Dunkelheit“, sagt Grigorian.

„Die Dissonanz meiner Liebe zur russischen Kultur, Musik, Literatur, Freunden, Familie, Verwandten und dieser unverständlichen, beschämenden, sinnlosen und kriminellen Katastrophe, die uns alle betrifft. Die Dissonanz des Drangs, gleichzeitig mit der Stimme eines wilden Tieres zu schreien und wie ein Grab zu schweigen“, sagt die 40-Jährige sehr emotional und fügt hinzu: „Wenn mir jetzt die Worte im Halse stecken bleiben, wende ich mich der Musik zu und dem Glauben, der Hoffnung, dem Gebet, dass wir noch eine Chance haben, wieder in Harmonie zu leben.“