Ich hatte ein paar Glossen abgegeben, die der eine oder andere kritische Leser (zum Glück keine einzige Leserin!) in Leserbriefen als „mittelmäßig“ bezeichneten – eine Art Todesurteil, die die Redaktion auf den Gedanken hätte bringen können, man könnte mich eigentlich einsparen: ein gewaltiger Nackenschlag! Der Verleger rief mich an, machte Druck und wollte wissen, wie es denn um meinen lange avisierten neuen Jahrhundertroman stünde. Gramgebeugt musste ich ihm meine Schreibblockade eingestehen: Mir fiel nichts ein, es kam nichts mehr, es ging nichts mehr, ich war ausgeschrieben, ich war am Ende, mein Arzt diagnostizierte: Dementia praecox.
Kurzum: Meine Literatur konnte mich nicht mehr ernähren. Ich stand vor dem Nichts, und mir blieb nichts übrig, als mich ans AMS zu wenden. Jetzt an der Schwelle zum Alter war ich doch noch gescheitert! Mein Betreuer seufzte, blätterte lange in seinen Unterlagen und nuschelte: „Was machen wir bloß mit Ihnen? Na ja, da, ein Posten als Global Strategist ist gerade offen…“
„Was wäre da zu tun?“ – „Ständig von Kalifornien nach Wien Hietzing und von Wien Hietzing nach Kalifornien fliegen, so lange, bis die Welt kommuniziert und consultet ist und der Planet weiß, was er will!“
„Hm! Eher weniger. What else?“ – „Also, Sie könnten auch die Leitung einer Investorengruppe übernehmen, die sich als Hedgefonds für Privatanleger versteht und auf automatisierte Computer-Handelssysteme setzt! Für Sie als ungelernte Arbeitskraft wäre das sozusagen ein Superfund! Wer supersuchet, der superfindet! Superfundman! Sie pendeln einfach zwischen den Unternehmensstandorten in Wien, Tokio, Hongkong, New York, Vaduz und Zürich! Statt brotloser Kunst brotlose Finanzwelt… Gerade jetzt grassiert wieder ein akuter Aufsichtsratsmangel! Am härtesten, sichersten und lukrativsten sind natürlich die Aufsichtsratsfunktionen bei Anlagemöglichkeiten und Beteiligungen…“ Der Betreuer sah mich fragend an. „Dann hätten wir noch Erdbeerernte in Finnland, 8 bis 20 Uhr, kein Sonntag, sieben Euro pro Stunde, zwei Mahlzeiten täglich frei…“ – „Ich nehme die Erdbeerernte!“, schrie ich in meiner Verzweiflung, weil dieser Albtraum kein Ende nehmen wollte.
In dem Augenblick kroch meine Frau zu mir ins Bett, weckte mich, gab mir ein Küsschen und flüsterte mir ins Ohr: „Eine schöne Glosse hast du heute wieder geschrieben…“