Er war nicht irgendjemand, sondern mit dem Saxofonisten Karlheinz Miklin einer der großen Söhne der kleinen Grenzstadt Bleiburg/Pliberk: Johann Kresnik, im Sommer 2019 knapp einen Monat nach Miklin verstorben, war noch bei den Anfangsplänen für das Stück „Jemand/Nekdo“ anlässlich des Jubiläumsjahres „100 Jahre Volksabstimmung in Kärnten“ dabei. Freitagabend wurde es mit einem Coronajahr Verspätung im Bleiburger Kulturni dom uraufgeführt.
Viele seiner einstigen Mitstreiter waren dabei und gestalteten eine aufwühlende Hommage. Sein langjähriger Dramaturg Christoph Klimke, mit dem Kresnik 2009 mit der Jura-Soyfer-Produktion „Auf uns kommt es an“ erstmals ein Projekt in seiner Heimatstadt inszeniert hatte, schrieb den Text. Choreografin Christina Comtesse, Tänzerin bei Kresnik in Bremen und an der Volksbühne Berlin, beteiligte sich ebenso wie Maler Gottfried Helnwein (Kostüm- und Bühnenbild) an dem Landesausstellungsprojekt. Seine Köpfe auf zwei raumfüllenden Bühnenprospekte schreien und weinen auf das Publikum hinunter, das in knapp 100 Minuten Stationen aus dem Leben Hans Kresniks, verschränkt mit Proben zu einer Peer-Gynt-Inszenierung, erlebt.
Testosterorongesteuert und temporeich
In der temporeichen Regie von Hannes Hametner verkörpert der Deutsche Andreas Seifert, der auch schon beim Jura-Soyfer-Stück dabei war, einen Choreografen und Regisseur, der Kresniks Züge trägt. Cholerisch, dann wieder wehmütig, zwischendurch trotzig oder testosterongesteuert, wankt er, meist mit einer Axt in der Hand, über die Bühne: Da deklamiert ein weiß gekleideter Frauenchor aus großartigen Laiendarstellerinnen Phrasen und Propaganda der Nazi-Zeit, illustrieren Profitänzer akrobatisch und archaisch die geschundenen Seelen, manchmal als düstere Raben, dann als fast nackte Menschenleiber. Schwankend zwischen Abstoßung und Anziehung umgarnen zwei gegensätzliche Frauen (Johanna Hainz, Friederike Pöschl) den Protagonisten, der hier Karl heißt. Er ist wie Peer Gynt: Geboren in den (Kärntner) Bergen erobert er die (Tanz-)Welt und kehrt am Ende in die Heimat zurück. „Solveigs Lied“ aus Griegs Peer-Gynt-Suite ist nur eines der musikalischen Zitate, die Stefan Thaler mit seiner Band und Sängerin Irina Lopinsky in den Soundtrack zum Stück einbaut: „Pack die Badehose ein, sei ein echtes Nazischwein ...“
Von Tätern, Opfern und Richtern, von Widerstand und Anpassung erzählt dieses eindringliche Stück, bei dem 25 Schauspieler, Tänzer und Musiker die Geschichte Südkärntens Revue passieren lassen – veranstaltet vom Center for Choreography Bleiburg/Pliberk, dessen Schirmherr Johann Kresnik war, ein „Kärntner Indianer“, wie er von sich selbst sagte.
Karin Waldner-Petutschnig