Wenn man 2452 Jahre auf dem Buckel hat, dann sind die 18 Monate, die „Medea“ wegen der Pandemie in der Warteschleife gehangen ist, kaum der Rede wert. Trotzdem war die Erleichterung beim Theater Wolkenflug, das mittlerweile fünfte Antikenprojekt endlich herzeigen zu können, groß. Auch Landeshauptmann Peter Kaiser eilte von der Eröffnung des Bachmann-Bewerbs im ORF-Theater in den Burghof und landete punktgenau: „Ich bin neben Jason wahrscheinlich der einzige Mann, der hier zu Wort kommt“. Keineswegs der einzige Grund, das bisschen Kulturstress zu loben.
Die Geschichte ist bekannt und beschäftigt die Kulturszene seit Jahrhunderten: Aus Liebe verhilft die zauberkundige Medea dem Argonautenführer Jason zum Goldenen Vlies und muss mit ihm aus ihrer Heimat Kolchis fliehen. In Korinth orientiert sich Jason neu – er integriert sich durch Heirat mit der Königstochter in die Gesellschaft. Medea, in der Fremde fremd geblieben, tötet ihre beiden Kinder, um sich an dem untreuen Ehemann zu rächen. So weit, so Euripides, dessen Tragödie „Medea“ auf das Jahr 431 vor Christus datiert wird.

Regisseurin Ute Liepoldhat Euripides mit Texten von Grillparzer, Christa Wolf und anderen zu einer 60-Minuten-Corona-Fassung montiert, die den Mythos von der grausamen Rächerin einer coolen Analyse unterzieht. Die Produktion „Medea Matrix Gold“ betrachtet die Schuldfrage (unfassbar, die eigenen Kinder zu töten), Mutterschaft und Abhängigkeiten aus der Perspektive zeitlicher Distanz, das in Hass verbundene Paar tritt wiederholt in ironischer Reflexion aus der Rolle. Jason wollte einfach „schöner wohnen“, Medea als Alleinerziehende kann sich’s halt nicht richten.

Verzweiflung und Wut einer Betrogenen

Grandios, wie die Cellistin Ana Laura Dominguez mit ihrem Instrument die Spannung in den Dialogen aufbaut, wie sie es gefährlich knistern lässt zwischen den Kontrahenten und dann wieder lebhaft den Rhythmus vorgibt. Nur ein weißer Tisch steht auf der Bühne im Burghof, in den Magda Kropiunig die Verzweiflung, die Wut und später fast so etwas wie die Genugtuung dieser Medea hinausschreit – selbst eine akute Stimmbandentzündung vermag sie nicht einzubremsen. Vom Arkadengang, in dem passenderweise die Installation „la nave va“ von Gerhild Tschachler-Nagy steht, schaut Medea lässig auf Jason herab, den Kai Möller als geschmeidigen Opportunisten gibt. Samt ordentlich gefaltetem Goldenen Vlies.