Welche Wünsche haben Sie zu Ihrem runden Geburtstag?
DIETER KAUFMANN: Nikolaus Fheodoroff hat anlässlich meines 40. Geburtstags im ORF Kärnten über mich eine Sendung gestaltet, die hieß „Hälfte des Lebens“. Demnach wäre jetzt also die zweite Hälfte vorbei. Aber mein Alter beunruhigt mich jetzt nicht mehr, denn ich habe mir vorgenommen, dass ich 100 Jahre alt werde. Dafür wünsche ich mir Gesundheit. Und ein großer Wunsch wäre auch, dass meine Werke mehr aufgeführt werden. Es geht mir dabei aber nicht um irgendwelchen Ruhm, sondern ich will einfach wissen, wie meine Stücke klingen. So harren beispielsweise zwei meiner neun Opern immer noch der Uraufführung: „Freier Fall“ nach Gert Jonke-Texten und „Alpha“ nach einem frühen Text von Musil.
Wie werden Sie Ihren Geburtstag feiern?
Einerseits im Familienkreis. Dann wird es am 20. April in Ö1 ein Porträt von mir geben und es sind mehrere Geburtstagskonzerte geplant (Anm.: siehe Info). Und am 18. April wird anlässlich der Gert Jonke-Preisverleihung im Konzerthaus Klagenfurt ein Video von der Uraufführung meiner Vertonungen von fünf Jonke-Gedichten gezeigt. Ich schätze die Besonderheit seiner Sprache und die Kärntner Spitzfindigkeiten, außerdem war ich mit Jonke auch persönlich befreundet.
Sie sind künstlerisch sehr breit aufgestellt, Sie singen, schreiben Texte, dirigieren, inszenieren und haben für alle Genres komponiert. Wie viele Werke gibt es mittlerweile und gibt es da Favoriten?
Ich bin jetzt bei der Opus-Zahl 235 angelangt. Das ist ein Werk für Solovioline, geschrieben für die Geigerin Elena Denisova. Sie wird es demnächst aufführen. Mein persönlicher Favorit ist das Musikdrama „Volksoper“, nach dem Text von Gert Jonke, dessen Uraufführung im Jahr 1984 am Theater an der Wien stattfand.
In Ihrem Komponierzimmer habe ich auf einem Tisch ein Notenblatt mit dem Titel „Tristan-Variationen“ entdeckt . . .
Daran arbeite ich gerade. Es ist die vierstimmige Bearbeitung eines Motivs aus Wagners „Tristan und Isolde“ für das Carinthia Saxophonquartett, das viele meiner Werke aufführt ebenso wie Hortus Musicus. Mit beiden bin ich schon lange verbunden.
Kürzlich erlebte Ihr ziemlich tonal klingendes Orchesterwerk „Tolleranza – Etüden für eine bessere Welt“ bei den Wörthersee-Classics seine Uraufführung. Ist das Ihr neuer Kompositionsstil?
Ich verknüpfe derzeit vieles gerne mit der Zwölftonmusik, aber ich will Freiheit von deren strengen Regeln. So will ich nicht auf die Tonalität und den wunderbaren Dreiklang verzichten. Ich entwickle so meine eigenen Theorien und könnte eigentlich schon eine eigene Harmonielehre schreiben.
Woran arbeiten Sie derzeit gerade?
Ich vertone gerade die Rede von Greta Thunberg „Friday 20 for Future“, das Werk wird am 5. Juni in Wien anlässlich des Umwelttages vom Wiener Frauenkammerorchester uraufgeführt werden. Auch die kleinen Formen reizen mich immer mehr. Ich schreibe nicht nur elektroakustische Musik.
Für Ihr Schaffen ist Ihre Frau, die Schauspielerin Gunda König, von großer Bedeutung...
Ich habe eine Menge speziell für sie geschrieben: Sprechrollen, aber auch Gesangsstücke. Wir haben 1970 gemeinsam das K&K Experimentalstudio gegründet. Mit diesem waren wir in ganz Europa, Amerika etc. mit Konzerten, Musiktheater und Multimediaperformances unterwegs und wir hatten auch eine eigene ORF-Sendereihe.
Sie wohnen hier in Waiern ober Feldkirchen mit einem herrlichen Blick auf die Karawanken. Wie alt ist Ihr Haus eigentlich?
110 Jahre. Es ist das Haus meiner Großeltern, die es 1929 gekauft haben. Ich bin zwar in Wien geboren, aber mit drei Jahren nach Kärnten gekommen, weil unser Haus in Wien zerbombt wurde.
Sie waren auch politisch als grüner Gemeinderat von Feldkirchen tätig..
Das war eine ganz eigene Erfahrung. Drei Jahre lang war das, wir hatten nur einen einzigen Sitz. Aber ich habe jetzt bei den letzten Wahlen aus Solidarität wieder kandidiert, allerdings an unwählbarer 23. Stelle.
Aus Ihrem reichen Leben könnten Sie sicher viele Anekdoten erzählen. Hätten Sie eine für uns?
Bei einer Aufführung meiner von mir dirigierten Operette „Solamento Dolores!“ in Paris vor rund zehn Jahren hat die Sängerin mitten im Stück einen halben Takt zu früh eingesetzt und dies mit Verbissenheit bis zum Ende durchgehalten. Ich musste die ganze Zeit lachen.
Welche Musik hören Sie privat?
Ich habe zwar immer noch ein neugieriges Ohr, komme aber vor lauter Komponieren, die Pandemie macht dies möglich, kaum zum Hören anderer Musik. Puccinis „Tosca“ höre ich sehr gerne.
Gibt es außer dem Komponieren noch ein Hobby?
Seit meinem 14. Lebensjahr spiele ich jeden Sonntag die Orgel, zuerst in Waiern und jetzt in der evangelischen Kirche in Gnesau bei der Messe. Meistens improvisiere ich, weil gesungen darf ja jetzt nicht werden. Und jedes Jahr machten wir eine Reise nach Paris, was aber leider derzeit nicht möglich ist.
Helmut Christian