Vor bald einem Jahr wurde das Wiener Künstlerhaus wiedereröffnet. Wie erging es Ihnen und Ihrer Künstlervereinigung seither?
Tanja Prušnik: Trotz der schwierigen Umstände eigentlich ganz gut. Wir sind mit den Besucherzahlen zufrieden und hatten im März eine wunderbare Eröffnung. Vor dem letzten Lockdown wurden unsere aktuellen Ausstellungen „When Gesture Becomes Event“ und „Waste Art“ von bis zu 200 Personen pro Tag besucht.
Hans Peter Haselsteiner hat 57 Millionen Euro in den Prachtbau am Karlsplatz investiert und sich dafür zwei Drittel der Ausstellungsfläche reserviert. Wie funktioniert das Zusammenspiel mit dem neuen Hausherren, der Künstlerhaus-Gesellschaft und der Albertina Modern?
Die Haselsteiner Familienprivatstiftung ist unser eigentlicher Partner. Mit der Albertina Modern leben wir in gutem Einverständnis. Es gibt natürlich Reibungspunkte wie in jeder Wohngemeinschaft. Wir teilen uns das Haus, aber jeder macht seine eigenen Dinge.
Also keine Trauer mehr unter Ihren Mitgliedern, dass das marode Gebäude einen neuen Mehrheitseigentümer gefunden hat?
Beim einen oder anderen herrscht vielleicht noch Wehmut. Aber es war der richtige Schritt. Wir haben jetzt ein großartiges Haus und sind immer noch Miteigentümer.
Derzeit entsteht mit dem Horten-Museum in die Wiener Innenstadt ein weiterer Hotspot der Modernen Kunst. Gräbt man sich nicht langsam gegenseitig das Wasser ab, was Besucher und finanzielle Ressourcen betrifft?
Österreich nennt sich ja eine Kulturnation. Insofern kann es nie genug davon geben. Wichtig ist vielmehr die Frage, was angeboten wird. Und dass neben den Bundesmuseen und privaten Museen auch die Freie Szene im Fokus bleibt.
Wie geht es der Freien Szene respektive den rund 500 Mitgliedern Ihrer Künstlervereinigung?
Die Situation ist natürlich schwierig. Viele Ausstellungen sind verschoben oder abgesagt worden. Zwar geht die Arbeit für die meisten in ihren Ateliers weiter wie bisher, manchmal sogar konzentrierter. Aber das Nicht-Präsentsein in der Öffentlichkeit und die eingeschränkten Möglichkeiten zu verkaufen, machen die Verhältnisse für viele noch prekärer. Für das Überleben der bildenden Künstler sind real zu besuchende Ausstellungen unabdingbar.
Staatliche Hilfen können dieses Manko nicht kompensieren?
Ich habe da verschiedene Rückmeldungen. Bei einigen ist sehr rasch und unbürokratisch geholfen worden. Andere wiederum warten immer noch auf Geld oder haben sogar Absagen erhalten. Es gibt da leider sehr viele Stolpersteine.
Wie geht es einer Ausstellungsmacherin, wenn sie Menschenschlangen vor den Skiliften sieht?
Ich habe kürzlich einen Satz von Bogdan Roščić gelesen, der sarkastisch meinte, man werde das Publikum demnächst bitten müssen, frisch getestet und in Skischuhen in der Staatsoper zu erscheinen, damit Vorstellungen stattfinden können. Diese Situation ist natürlich sehr bedauerlich, weil ich glaube, dass es vielen Menschen Mut geben würde, sich mit etwas zu beschäftigen, das außerhalb des alltäglichen Bedarfs liegt. Die bisherigen Hygienemaßnahmen wurden ja bestens umgesetzt. Ich habe bei keinem der Ausstellungshäuser gesehen, dass es zu Problemen gekommen wäre. Ich glaube auch, dass sich die Leute in Ausstellungen anders verhalten als beim Einkaufen, weil Kunst mehr Achtsamkeit erfordert.
Wären Sie dafür, dass man sich für den Besuch von Museen und Theatern freitesten lassen kann?
Wenn das die einzige Möglichkeit ist, dem Lockdown zu entkommen, warum nicht? Prinzipiell wäre es mir lieber, wenn man auch so in unser Haus kommen kann. Es könnte auch Timeslots geben. Es muss ja nicht gleich jeder um 10 Uhr vor der Tür stehen.
Sie sind ja nicht nur als Ausstellungsmacherin, sondern auch als Künstlerin von der Pandemie betroffen. Was wurde eigentlich aus Ihrem Kunstprojekt zu „100 Jahre Kärntner Volksabstimmung“?
Es wurde auf den April 2021 verschoben. Das Positive daran ist, dass wir den gedanklichen Austausch zu diesem doch nicht ganz unwesentlichen Thema heuer weiterführen können. Ich habe eine sieben Kilometer lange Freirauminstallation in Vorbereitung, ein künstlerisch gestaltetes Band, das vom Hof meines Großvaters, des Partisanen Karel Prušnik-Gasper, bis zum Peršmanhof – einst Ort eines schweren Kriegsverbrechens – gezogen wird. Ich habe dafür auch sein Erinnerungsbuch „Gämsen auf der Lawine“ transkribiert und mit Hilfe von Studierenden in die heutige Zeit geholt. Mich beschäftigt vor allem das Thema „Spuren“ und die Frage: „Was bleibt von uns?“.