Sie haben einmal gesagt, Sie sind mit dem Schlagzeug auf die Welt gekommen . . .
Martin Grubinger: Da mein Vater selbst Schlagwerker und als Lehrer auch zu Hause unterrichtete, bin ich eigentlich damit aufgewachsen. Ich war von klein an davon fasziniert und habe schon mit vier Jahren mitgetrommelt. Bei uns zu Hause war Musik immer präsent, es wurde täglich musiziert.
2002 spielten Sie in Villach im Congress Center ein Konzert von Darius Milhaud. 2010 hingegen haben Sie ein Konzert beim Carinthischen Sommer wegen der damaligen politischen Verhältnisse, dem Zusammenschluss von BZÖ und FPÖ, die den Landeshauptmann stellten, abgesagt. Warum?
Es war mir damals wichtig, ein deutliches Zeichen gegen rechte Politik zu setzen.
Sie treten immer wieder gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus auf . . .
Absolut, denn es ist wichtig, dass wir in Europa unsere demokratischen Werte hochhalten. Ich bin ich auch für den Zusammenschluss aller europäischen Ländern zu den Vereinigten Staaten von Europa. Hier sollten unsere Werte von Kultur, Tradition, Geschichte und soziale Marktwirtschaft verbunden werden.
Wie ist es Ihnen mit dem Corona-Lockdown gegangen?
Davon wurde ich völlig überrascht. Ich kam nach einem Konzert von Singapur zurück und musste gleich in Quarantäne. Wir Musiker wollen auf der Bühne vor Publikum spielen. Als das nicht ging, reagierten viele Kollegen sehr emotional. Ich selbst habe trotzdem viele Projekte gemacht.
Hat die Politik dabei im Hinblick auf die Kultur richtig reagiert?
Die Politik sollte für alle Bereiche gleich viel Verständnis aufbringen. Deshalb sollten Hilfe und soziale Abfederung bei den Künstlern viel stärker sein. Die Etablierten stehen die Krise durch, aber für die Jüngeren und weniger Arrivierten ist es schwierig. Politisches Handwerk ist halt etwas anderes als deren Verkauf. Außerdem sollte es mehr Solidarität der Veranstalter mit den Künstlern geben.
Sie selbst gelten mittlerweile als der beste Schlagwerker weltweit. Was waren Ihre persönlichen Highlights bisher?
Eigentlich alle Solokonzerte mit den großen Orchestern, sowie die Mitwirkung an großen Festivals. Es war immer mein Traum, dass das Schlagzeug auch einmal ein wichtiges Soloinstrument wird. Und da ist weit mehr gelungen, als ich mir je vorgestellt habe.
Kürzlich wurde der spektakuläre Film, „Drum the Bull“, eine Art Hymne für die Formel I, vorgestellt, bei dem Sie gemeinsam mit zahlreichen Musiker und Chören mitwirkten. Wie kam es dazu?
Ich gestehe, ich bin ein Fan des Motorsports. Der achtminütige Film dienst zu dessen Wiederbelebung und ist ein Gruß aus Österreich. Wir haben in Spielberg auf der „Bullenskulptur“, die innen hohl ist, gespielt, das bewirkt einen tollen, sekundenlangen Nachklang.
Wie viele Schlagwerk-Instrumente haben Sie eigentlich?
So an die 800.
Die Literatur für Schlagwerk ist allerdings nicht gerade üppig, oder?
Es wird immer besser, so gibt es plötzlich mehr Komponisten, auch von Weltrang, die Stücke dafür schreiben: etwa Tan Dun oder Avner Dorman. Aber auch Friedrich Cerha, der wahrscheinlich bedeutendste, lebende österreichische Komponist, hat ein Konzert für Schlagwerk geschrieben, das ich 2009 mit dem Mozarteumorchester uraufführen durfte und dann noch mit den Wiener Philharmoniker und dem Gewandhausorchester Leipzig gespielt habe.
Wurde das Konzert für Soloschlagzeug „Sieidi“ des finnischen Komponisten Kalevi Aho, das Sie mit dem Wiener Jeunesse Orchester zur Eröffnung des Carinthischen Sommers spielen werden, auch für Sie komponiert?
Leider nein, aber ich habe es mittlerweile adoptiert, weil ich es so oft gespielt habe. Es gilt bereits als das bedeutendste Solokonzert eines finnischen Komponisten nach dem Violinkonzert von Jean Sibelius. Der Beiname „Sieidi“ bezeichnet einen sakralen Ort der Lappen mit spiritueller Kraft. Das Stück ist hochemotional, romantisch, sensitiv, aber auch schroff und ruppig. Ich bediene dabei gut zwanzig verschiedene Instrumente und wandere während des Konzerts auf der Bühne von links nach rechts und auch wieder zurück.