Normal wäre es, gerade jetzt Symposien, Live-Vorträge und Diskussionen zu brennenden Fragen der Zeit zu veranstalten. Doch diese Normalität ist bis auf weiteres abgesagt. Der Unversitäts.Club Wissenschaftsverein Kärnten macht aus der Corona-Not eine Tugend und hat mit Moderator Christian Hölbling eine Online-Talkshow namens "Quer gedacht" entwickelt. Uniclub-Präsident Horst Peter Groß diskutiert in der ersten Folge mit dem Kabarettisten Roland Düringer und dem Konfliktforscher Gerhard Schwarz über das Thema "Wendezeit - was ist noch normal?" Dass wir gerade eine Wendezeit erleben, darüber herrscht weitgehende Einigkeit.
Auch ohne Corona sei klar, dass wir so wie bisher nicht weitermachen können, meint Gerhard Schwarz. Es gebe zwangsläufig einen Konflikt zwischen den Kräften der Beharrung und jenen der Veränderung. Der Konfliktforscher ist aber zuversichtlich, dass - wie bislang bei jeder Krise - neue Technologien gefunden werden, die uns herausführen und dass sich "die Gescheiten durchsetzen und es zu einem Lernprozess kommt".
Die Leute würden merken, was eigentlich lebenswert ist, weil sie nicht bis zum Tod im Hamsterrad sitzen wollen. Das werde durch Corona verstärkt. Anders als Horst Peter Groß erwartet Schwarz keine große Wirtschaftskrise, "weil wir heute bessere Instrumente als vor zehn oder gar vor hundert Jahren haben. Wir werden das in den Griff kriegen. Aber es braucht mehr Kooperation statt Konkurrenz und eine neue Einstellung zur Natur." Der Gruppendynamiker Schwarz plädiert auch für den Widerspruchsgeist: "Wir brauchen mindestens 10 Prozent Querulanten, Stänkerer und Oppositionelle, damit ein Sozialgebilde gesund bleibt."
Der Kabarettist Roland Düringer wundert sich sehr "über die herrschende Angst, über die wöchentliche Befehlsausgabe der Regierung, über die Sehnsucht der Menschen nach der Knechtschaft". Er sieht im Virus eine "offene Flamme, die auf ein Pulverfass trifft. Corona ist ein Beschleuniger von Prozessen, die sowieso schon in Gang sind." Die Hoffnung auf einen breiten Bewusstseinswandel teilt er nicht: "Der Großteil der Menschen wartet darauf, dass es wieder so weiter geht wie vorher, weil deren Lebensumstände keinen Spielraum lassen."
Düringer fürchtet im Gegenteil, dass es noch ärger werde, weil man im Sinne des gängigen Wachstumsprinzips alles aufholen wolle. Der Menschenbeobachter wundert sich auch über den plötzlichen Wertewandel: "Wenn ein Schiff sinkt, hieß es bisher: Frauen und Kinder zuerst. Bei Corona heißt es jetzt: Die Alten und Todkranken in die Boote, Frauen und Kinder unter Deck zum Ersaufen. Warum will man die Vergangenheit retten und sieht das als Normalität an?" Seiner Ansicht nach gehe es der Politik bei den Schutzmaßnahmen weniger um "Oma und Opa", sondern um das Vermeiden unschöner Bilder wie in Italien.
Universitäts.Club-Präsident meint, dass in der Krise die alten Reflexe "Totstellen" und "Flucht" nicht mehr funktionierten. Es bleibe nur das verantwortungsbewusste Handeln im Sinne der Aufklärung. Groß plädiert für eine neue Symbiose zwischen Wirtschaft und Natur, um die selbst verursachten Probleme zu lösen. Er hofft, dass sich die Wissenschaft stärker zu Wort meldet. Und: "Wir dürfen als Zivilgesellschaft die Politik nicht alleine den Politikern überlassen."