Es ist eine umwerfende Schau. In der mit 250 Exponaten "bisher größten jemals ausgerichteten Ausstellung zu Maria Lassnig" (Kuratorin Beatrice von Bormann) sind etliche bisher nicht oder kaum gezeigten Werke zu sehen. Anlass ist der 100. Geburtstag Lassnigs, der am 8. September gefeiert wird. Dann ist die Schau in der Wiener Albertina zu sehen. Wer nicht warten will, muss nach Amsterdam reisen.

Im Stedelijk Museum wurde schon 1994 unter Direktor Rudi Fuchs eine Lassnig-Ausstellung gezeigt. Da hatte Lassnig noch zwei Jahrzehnte Lebens- und Arbeitszeit vor sich und war noch lange nicht die international gefeierte Künstlerin von heute, die als eine der ganz großen Kämpferinnen für Gleichberechtigung auch in der Kunst gilt. Aktuelle Zahlen bewiesen die Notwendigkeit der Weiterführung dieses Kampfes, sagte Von Bormann bei der heutigen Pressekonferenz. 87 Prozent der Werke in US-Museen stammten von Männern, 65 Prozent der weltweit von Galerien vertretenen Künstler seien Männer. Dieser Kampf bietet sich in vielen Werken explizit ab. Und ist doch nur ein kleiner Teil der über viele Säle führenden, seine Roten Fäden sowohl thematisch als auch biografisch auslegenden Ausstellung.

Das Stedelijk Museum Amsterdam präsentiert mit der Ausstellung 'Maria Lassnig – Ways of Being'
Das Stedelijk Museum Amsterdam präsentiert mit der Ausstellung 'Maria Lassnig – Ways of Being' © APA/WOLFGANG HUBER-LANG

Jan Willem Sieburgh, Interimsdirektor des Stedelijk Museums, das selbst bloß zwei Lassnig-Werke besitzt, dankte heute zwei österreichischen Institutionen ganz besonders für das Zustandekommen der "Ways of Being" betitelten Schau: Der Albertina, wo die Ausstellung in etwas veränderter Gestalt (schließlich hatte man sich dort ja erst vor zwei Jahren den Papierarbeiten Lassnigs gewidmet) ab 6. September zu sehen sein wird, und der Maria Lassnig Stiftung. Sie ist Leihgeber für fast die Hälfte der gezeigten Werke - darunter gibt es auch für Kenner einige Entdeckungen zu machen. "Die frühen Keramiken aus den 70ern sind erstmals zu sehen", erläuterte Peter Pakesch, Vorsitzender des Stiftungsvorstands, im Gespräch mit der APA. "Auch von den nach Lassnigs Tod gefundenen Filmen und Filmfragmenten, die restauriert und digitalisiert wurden, werden einige das erste Mal in einem Ausstellungskontext gezeigt. Ebenso sind einige Ölbilder noch nie Teil einer Museumsschau gewesen."

Bilder wie die "Patriotische Familie" (1963) oder "Dressur" (1965) erweitern so den explizit politischen und feministischen Hintergrund von Lassnigs Arbeit, deren Aspekte in Themenräumen zusammengefasst wurden. Dazu gibt es ein eigenes Farbkonzept. Bei der Entwicklung ihrer berühmten "Body Awarness"-Bilder (die man in einem eigenen, liebevoll zusammengestellten Studioraum selbst nachvollziehen kann) ist helles Rosa die bestimmende Wandfarbe, für ihre kämpferische und visionäre Aufbruchszeit in New York wurde helles Blau gewählt, grau ist der Saal, in dem es um ihre Reflexionen zu Krieg und Gewalt geht. Hier sind nicht nur starke Gemälde, sondern auch ein animierter "Antikriegsfilm" mit Musik von Ernst Götz samt den entsprechenden Vorarbeiten zu entdecken.

Es gibt einen eigenen Fußballraum ("Fußball war für Lassnig eine perfekte Metapher für den Versuch der Frau, sich auf dem männlich dominierten Spielfeld zu behaupten", so Bormann) und einen mit Tieren. Dazwischen immer wieder Filme, Bronzen ("Sexgöttin" und "Hilfe!" heißen zwei wohl ironisch betitelte Serien aus 1979 und 2001), Notizbücher, Animationszeichnungen, Skizzen, Unterlagen über ihren Sidestep als Modeschöpferin in den 1980er-Jahren, Fotocollagen, kleine Skulpturen und Keramikobjekte. Es ist ein ungeheuer reiches Oeuvre, das sich vor dem Besucher ausbreitet.

Zwischendurch stößt man auf das großformatige Doppelporträt "Krebsangst", als Dauerleihgabe von privater Seite an die Albertina übergeben. An dieses Bild denkt man unweigerlich im letzten, "Herbstgedanken" genannten Raum. Mit dem dargestellten Leiden im "Krankenhaus" (2005) und dem Ölbild "Vom Tode gezeichnet" (2011) schließt der Parcours durch ein Werk von Weltgeltung. Am 6. Mai 2014 starb Maria Lassnig. Den Lebenswerkpreis der Kunstbiennale Venedig konnte sie ein Jahr zuvor nicht mehr persönlich entgegennehmen. Er wurde der Künstlerin vom damaligen Joanneums-Intendanten Peter Pakesch in ihrer Wiener Wohnung übergeben.

Heute arbeitet Pakesch in der Maria Lassnig Stiftung daran, dass der Nachruhm der Künstlerin, die zeitlebens um Anerkennung gerungen hat, wächst: "Wir bieten nicht nur Leihgaben, sondern auch viel Hintergrundinformation. Neben der Mitarbeit bei Ausstellungen und dem Platzieren von Werken in großen Museumssammlungen ist die wissenschaftliche Arbeit ein Schwerpunkt von uns. Derzeit sind zwei Dissertationen über Maria Lassnig im Entstehen."

Lassnig-Preis

Am 7. Juni wird der von der Stiftung ausgeschriebene und mit 50.000 Euro dotierte Maria Lassnig Preis zum zweiten Mal vergeben: Er geht an die indische Künstlerin Sheela Gowda. "Es ist bewusst ein midcareer-Preis, denn das war die Zeit, in der auch Maria Lassnig besondere Unterstützung gebraucht hätte. Bei der ersten Preisträgerin Cathy Wilkes, die nun Großbritannien auf der Biennale in Venedig vertreten wird, ist es uns erfolgreich gelungen, Aufmerksamkeit auf sie zu lenken. Das lässt sich bei Gowda auch bereits gut an."

Derzeit ist auch eine große Ausstellung zu Maria Lassnig und Arnulf Rainer im Lentos Linz zu sehen, die dann ab 14. Juni auch im MMKK in Klagenfurt gezeigt wird.