Wie geht es Ihnen?
PETER TURRINI: Wenn man älter wird, macht man eine interessante Erfahrung: Es geht zügig abwärts. Man kauft sich Skistecken und macht Nordic Walking. Aber das hilft natürlich gar nichts, denn auch der Tod macht Nordic Walking, damit er uns auf den Fersen bleiben kann. Ansonsten geht es mir gut.
Sie haben den Kärntner Kulturpreis für Literatur bekommen. Überwiegt die Skepsis oder die Freude?
Wenn ich einen Preis für meine literarische Arbeit bekomme, dann überwiegt die Freude. Wenn man mir Orden oder Ehrennadeln oder Ähnliches anbietet, dann holt mich der Schrecken. Dieses Staatsblech lehne ich ab. Es hat mit Literatur wenig zu tun.
Sie haben einmal gesagt, in Ihrem Beruf braucht man eine Kinderhaut und eine Elefantenhaut – mit welcher kommen Sie zur Preisverleihung?
Da ich nicht aus meiner Haut heraus kann, mit immer der gleichen. Ich glaube tatsächlich, dass ein Schriftsteller eine widersprüchliche Erscheinung darstellt. Auf der einen Seite soll er sensibel sein und die Welt mit feinsten Empfindungen einfangen, und andererseits muss er die Steinschläge, die manchmal auf ihn niedergehen, aushalten. Er muss sozusagen eine zoologische Mischung zwischen Libelle und Schildkröte sein. Manchmal zerreißt mich das.
Durch die Nominierung von Josef Winkler durch das Kulturgremium und den Wunsch des Kulturreferenten, Sie mit dem Kulturpreis auszuzeichnen, ist eine unglückliche Situation entstanden. Hatten Sie mit Winkler nach der Entscheidung Kontakt?
Ja, er war bei seiner Premiere in Wien und wir haben uns getroffen, eher zufällig. Glauben Sie mir, es gibt nicht die geringste Konkurrenz zwischen mir und ihm. Im Gegenteil, ich achte ihn als Schriftsteller außerordentlich.
Zumindest bei der FPÖ hat Winkler Ihnen den Rang als linker Polit-Literat abgelaufen. Als Sie vor zwanzig Jahren die Ehrenbürgerschaft von Maria Saal erhalten sollten, war die FPÖ mit dem Nicht-Argument „Kärnten-Beschimpfer“ noch gegen Sie.
Wir wollen jetzt keinen Pegel ermitteln, wer sich lauter gegen politische Missstände verwehrt. Der Winkler ist ein leidenschaftlicher politischer Widerständler und dafür hat er meinen Respekt. Ich bin froh, dass er den Mund nicht halten kann und will.
Bei der Nestroy-Preis-Verleihung behauptete Regisseur David Schalko in seiner Rede, dass die Kunst in Österreich selbst für die Gefährlichkeit die Obrigkeit brauche. Und machte sich gleichzeitig lustig darüber, dass die Künstler ein eigenes Kulturministerium fordern. Ist die heimische Kulturszene brav geworden?
Weiß ich nicht. Wenn ich in meiner Abgeschiedenheit hier an der tschechischen Grenze Menschen treffe, dann sind es eher Weinbauern und keine Vertreter der heimischen Kulturszene. Ich bekämpfe meinen inneren Rumor mit Arbeit, schreibe immer mehr und kriege manches gar nicht mit. Auf der Höhe von Hollabrunn verebbt so einiges.
Sie haben heuer ein arbeitsintensives Jahr hinter sich. Im Jänner die Uraufführung von „Sieben Sekunden Ewigkeit“, im kommendem Jänner die nächste Uraufführung im Theater in der Josefstadt: „Fremdenzimmer“ mit Erwin Steinhauer. Worum geht es? Wer wird inszenieren?
Es ist die Geschichte eines 17-jährigen syrischen Flüchtlings. Er geht in die Wohnung eines älteren Ehepaars und fragt, ob er sein Handy aufladen kann. Am Anfang des Stückes prasseln alle Vorurteile, die es gegen Ausländer gibt, auf ihn nieder. Am Ende wollen sie ihn nicht mehr hergeben und sperren ihn ein. Wie das so ist mit dem Hass und der Liebe in unserem Land. Inszenieren wird das Stück der Herbert Föttinger.
Wie wichtig ist es für Sie, die Josefstadt für Uraufführungen zu haben? Gibt es eigentlich Anfragen vom Klagenfurter Stadttheater?
Nein, aber das muss ja auch nicht sein. Ich mache mit dem Herbert Föttinger seit mehr als zehn Jahren Uraufführungen, eine nach der anderen. Meine Zugehörigkeit gehört weniger dem Haus als solchem, sondern den Menschen, die dort arbeiten. Dort gibt es viel Mut, literarischen und politischen, und das hätte man sich früher von der Josefstadt gar nicht vorstellen können.
Sie sind gerade aus München zurück, wo Sie mit Josef Ernst Köpplinger vom Gärnterplatztheater über Ihr Opernlibretto gesprochen haben. Wann soll das fertig sein?
Es ist fertig und ich bin es auch.
Die Musik schreibt Johanna Doderer. Was verbindet Sie miteinander bei dieser gemeinsamen Arbeit?
Ich habe ja manchmal Probleme mit der modernen Musik, oder genauer gesagt, mein Ohr hat Probleme. Aber die Musik von Johanna Doderer ist so aufwühlend und so schön in einem, dass ich gar nicht genug davon kriegen kann.
Gerhard Haderer gibt Ihr erstes Stück „Rozznjogd“ als Comic heraus. Gibt es weitere Comicpläne? Und, was macht Ihre Karriere als Kinderbuchautor?
Zur Comic-Fassung von „Rozznjogd“ möchte ich einmal in unserem Interview einen neusprachlichen Satz gebrauchen: Die Zeichnungen vom Gerhard Haderer sind ein Hammer! Meine Karriere als Kinderbuchautor würde ich sehr gerne fortsetzen, ich hab ja einen dreieinhalbjährigen Enkel, den ich sehr liebe. Über den würde ich gerne ein Buch machen, aber ich weiß nicht, ob so viel Liebe dem Schreiben zuträglich ist. Und ob es nicht schöner ist, stundenlang mit ihm die Matchbox-Autos aufeinander krachen zu lassen.
Uschi Loigge