Seit 35 Jahren gibt es die Flying Pickets. Wie sehr hat sich das Musikgeschäft seit der Bandgründung verändert?
ANDY LAYCOCK: Die Musikwelt von 1982 ist mit der heutigen nicht mehr vergleichbar. Und das ist gut so. Damals war man abhängig von einem Plattenvertrag mit einem der großen Musikkonzerne. Diese hatten sehr viel Macht über die Bands. Heutzutage nehmen wir unsere CDs selbst auf. Dadurch haben wir viel mehr Kontrolle über unsere Musik. Über Facebook und Twitter können wir direkt mit unseren Fans in Kontakt treten. Das ist großartig.
Die Band wurde einst von sechs „politischen Schwergewichten“ gegründet. Ist politisch zu sein immer noch eines Ihrer Ziele?
In erster Linie wollten die Mitglieder damals gute Musik produzieren und an dieser Absicht ändert sich niemals etwas, in keiner Band, zu keiner Zeit. Wenn man seine Seele in die Musik steckt, wird das Ergebnis manchmal politisch, ein anderes Mal philosophisch, emotional oder einfach nur aufregend. Ja, so gesehen sind wir politisch.
Wie haben Sie einander in der ursprünglichen und in der heutigen Formation kennengelernt?
Die Gründungsmitglieder lernten sich einst als Schauspieler bei einem Theaterstück kennen. Darin sangen sie alle Songs ohne Instrumente. Das machte ihnen so viel Spaß, dass sie nach Beendigung des Projektes weitermachten und niemals aufhörten. Hier und da verließ ein Mitglied die Band und wurde von einem anderen ersetzt. Wie in einer Fußballmannschaft. Heutzutage sind wir die „Manchester United“ der A-cappella-Musik.
Ihre Stimmen sind von echten Instrumenten kaum unterscheidbar. Wie oft üben Sie?
Um ehrlich zu sein, gar nicht so oft. Wenn wir auf Tour sind, wollen wir unsere Stimmen nicht strapazieren, sondern für das Publikum aufheben. Es ist besser, sich gar nicht so sehr darauf zu fokussieren, die Stimmen so instrumentenähnlich wie möglich klingen zu lassen. Dem Publikum geht es bei unseren Konzerten in erster Linie um den Spaß.
Spielen Sie eher Coverversionen oder schreiben Sie auch eigene Lieder?
Meistens spielen wir eine Mischung aus beidem. In letzter Zeit covern wir vermehrt Songs, weil es momentan so eine große Auswahl an talentierten Songwritern gibt, wie etwa Ed Sheeran oder Rag ’n’ Bone Man.
Wie wählen Sie die Songs aus, die Sie covern?
Ich frage mich: Was gefällt mir? Was weckt meine Aufmerksamkeit? Zwei von uns nehmen dann eine Probeversion auf und spielen diese den anderen vor. Das funktioniert wie eine Art Qualitätsfilter. Sind wir alle, mit unseren unterschiedlichen Geschmäckern, von einem Song begeistert, können wir auch das Publikum damit anstecken.
Was ist die größte Herausforderung daran, ohne Instrumente aufzutreten?
Dass man nicht dem Schlagzeuger die Schuld geben kann (lacht). Im Ernst: Beim A-cappella-Singen ist man ausgeliefert. Jedem von uns obliegt ein unterschiedlicher Gesangspart. Wenn einer einen Fehler macht, ist das deutlich hörbar. Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass die Stimme im Gegensatz zu einer Gitarre auch im Alltag immer im Gebrauch ist. Seine Gitarre kann man weglegen, die Stimme nicht!
Heutzutage hören viele Menschen elektronisch veränderte Musik. Tut sich eine A-cappella-Gruppe dadurch schwerer?
Das glaube ich nicht. Schließlich können auch A-cappella-Sänger elektronische Geräusche verwenden und ihrer Musik damit einen neuen Anstrich verpassen.
Warum spielt Humor bei A-cappella-Shows so eine große Rolle?
Humor verschafft dem Publikum eine gute Zeit. A-cappella kann aber alle Emotionen ausdrücken. Wenn wir etwa „Seven Nations Army“ auf der Bühne spielen, wird es sogar ziemlich laut und aggressiv. Die Zuhörer sind dann meistens überrascht, aber nach einigen Sekunden genießen sie die Intensität.
Wünschen Sie sich manchmal ein Comeback mit einem neuen Nummer-1-Hit wie „Only You“?
Es ist faszinierend, dass dieser Song nach so vielen Jahren immer noch so viele Menschen erreichen kann. Der Zeitpunkt damals war richtig und der Erfolg riesig. Er trug dazu bei, A-cappella als Musikrichtung zu etablieren. Jetzt heißt es weitermachen.
Welche Show erwartet die Besucher?
Unsere Auftritte ähneln weniger einem Chorkonzert, als einer großen Party! Wir sind laut, bewegen uns viel und lieben es, wenn auch das Publikum mitmacht. Selbstverständlich werden wir „Only You“ spielen, aber auch jede Menge Songs von unserer neuen CD „Strike Again“: „Burn it down“, „Seven Nation Army“, „She will be loved“ und viele mehr. Das Publikum soll seine beste Singstimme mitbringen. Zu singen, ist der größte Spaß, den man haben kann, ohne das Gesetz zu brechen. Wir freuen uns schon sehr darauf.
Julia Braunecker