Eine "literarische Rede" von Elisabeth Orth beschloss am Samstagvormittag die Reihe "Reden über das Jahrhundert" in der Felsenreitschule. An vier Samstagen hatten die Salzburger Festspiele anlässlich ihres Jubiläums ausgewählte Redner eingeladen, über das vergangene Jahrhundert zu sprechen.
Die Idee und Frage hinter der Veranstaltungsreihe war es, ob der Glaube an die Kraft der Kunst, wovon die Gründerväter überzeugt waren, in einem veränderten Jetzt noch Sinn geben. Die Cellistin und Auschwitzüberlebende Anita Lasker-Wallfisch beantwortete diese Frage in ihrer aufgrund der aktuellen Situation per Video abgespielten Rede mit einem klaren Ja. Elisabeth Orths Rede am Samstag war nicht nur die letzte, sondern auch eine "literarische Rede", die aus Texten, Briefen und Gedichten von Max Reinhardt, Hugo von Hofmannsthal oder auch Stefan Zweig bestand, die allesamt auf die Zeit vor der Gründung der Salzburger Festspiele und die Anfangsjahre Bezug nehmen.
Die Schauspielerin Elisabeth Orth, die selbst schon oft Teil der Salzburger Festspiele war und die Bühne in der Felsenreitschule beim letzten Mal als Portia in Shakespeares "Julius Caesar" betreten hatte, eröffnete ihre literarische Rede am Gründungstag, an dem vor 100 Jahren zum ersten Mal der Jedermann in Salzburg gespielt wurde, mit Hugo von Hofmannsthals "Psyche", dem Dialog eines Menschen mit der sterbensmüden Seele. Eine literarische Rede über "das Wunder des Überlebens" lautete der Titel der Rede auf dem Programmheft, der von Festspielmitbegründer Ernst Lothars gleichnamiger Autobiografie entlehnt ist und woraus Orth ebenfalls vortrug.
Während Lothars Beschreibungen eher seine Gegenwart behandelt, sehnte Stefan Zweig sich in "Glanz und Schatten über Europa" eher nach der Vergangenheit, der "Epoche des Weltvertrauens", der Zeit der Jahrhundertwende vor dem ersten Weltkrieg. Manche von Zweigs Fragen schienen in dieser Lesung aktueller denn je. Ist der Aufstieg zu rasch gekommen? Hatte der Überschuss an der Kraft der Länder Schuld am Krieg? Aktuell ist es weniger Krieg als die Krise, die einen Schatten über Europa und die ganze Welt wirft, doch die Fragestellung kann auch dafür übernommen werden.
Über die Notwendigkeit des Elends sinnierte Orth in Brechts Gedicht "Die 3 Soldaten" und auch in einem Auszug aus dem "Jedermann" erbittete dieser ein Entkommen aus dem eigenen Elend. "Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern in sich erschaffen zu können" schrieb Nietzsche - die einzige Antwort, die Orth ans Publikum richtete, ohne, dass ihr eine Frage voraus gegangen war. Dabei blieb es auch. Die eingangs gestellte Frage nach der Kraft der Kunst konnte das Publikum nun mit reichlich literarischen Denkanstößen nach der eineinhalbstündigen Lesung selbst beantworten. Großer Applaus für Elisabeth Orths Vortrag.
Larissa Schütz