Anna Netrebko, Cecilia Bartoli, Sonya Yoncheva, Martha Argerich, Patricia Kopatchinskaja ... Eigentlich liest sich ja alles ganz normal bei den Salzburger Festspielen. Aber heuer ist natürlich nichts normal. Just dem 100-Jahr-Jubiläum machte Corona einen Strich durch die Rechnung. Aber keinen ganzen.
„Wo der Wille nur erwacht, dort ist schon fast etwas erreicht“: Mit dem Spruch des Festivalgründers Hugo von Hofmannsthal machten sich Intendant Markus Hinterhäuser und sein Team Mut, krempelten die Ärmel auf und das Programm komplett um. Und Präsidentin Helga Rabl-Stadler, die als „Löwin von Salzburg“ um die Durchführung dieser Saison kämpfte, ist nur eine von vielen starken Frauen, die diesen außergewöhnlichen Festspielsommer prägen werden. Hier sechs von ihnen.
Caroline Peters
Im November als „Jahrhundert-Buhlschaft“ präsentiert, behält Caroline Peters im „Jedermann“ auf dem Domplatz die feuerroten Hosen an. Seit 2004 zählt die gebürtige Deutsche zum Burgtheater-Ensemble, seit 2005 ist sie regelmäßig in Salzburg zu sehen, im Vorjahr etwa in der Uraufführung „Die Empörten“ von Theresia Walser. Sie wolle die Buhlschaft mit ihren nur 30 Sätzen „hintergründig“ und „tiefgründig“ anlegen, sagt sie gern. Aber: „Ich sehe das Ganze auch ein wenig wie die Prinzessin im Karneval. Es ist eher ein Amt und eine Aufgabe und mehr als eine Rolle“, betonte sie im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. Die mehrfache „Schauspielerin des Jahres“ wurde 2018 für ihre „oft beängstigende, zu Herzen gehenden Intensität“ mit dem Nestroy-Preis für ihre Rollen in Simon Stones „Hotel Strindberg“ geadelt. Weiter lobte die Jury: „Sie ist eine Verwandlungskünstlerin im allerbesten Sinn.“ Und zwar auf den Bühnen Theater, Film und Fernsehen.
Premiere: 1. August, 21 Uhr, Domplatz (bei Regen: Festspielhaus).
Aušrinė Stundytė
Vor zwei Jahren feierte Asmik Grigorian als Salome einen Festspieltriumph. Wie ihre Landsfrau, mit der sie ein „schwesterliches Verhältnis“ pflegt und die diesmal in der kleineren Rolle der Chrysothemis dabei ist, könnte auch Aušrinė Stundytė mit einer Strauss-Oper in Salzburg einen Riesenschritt in ihrer Karriere setzen. Die Litauerin, die in Köln lebt, hat sich schon bisher in Rollen von Wagner über Schostakowitsch bis Rihm einen exzellenten Ruf erarbeitet. Nun will sie als Elektra auch an der Salzach beweisen, woher dieser rührt. Die Sopranistin hat sich mit dem Dirigenten Franz Welser-Möst intensiv auf die Partie vorbereitet. Die Tochter des Agamemnon, die wegen dessen Ermordung Rache schwört, will Stundyt(e) ganz im Sinne des polnischen Regisseurs Krzysztof Warlikowski „nicht als gemeine, blutdürstige, teuflische Figur zeigen“, wie sie der APA verriet, „denn wenn ich etwas für Elektra empfinde, dann ist das Mitleid für diese gebrochene, schmerzende Seele“.
Premiere: 1. August, 17 Uhr, Felsenreitschule.
Joanna Mallwitz
Die große Überraschung bei der Erstpräsentation des verschlankten Programms war die gar nicht vorgesehen gewesene Neuproduktion von „Così fan tutte“. Für Mozarts Liebes-Tohuwabohu verpflichtete man Joana Mallwitz (34), die heuer eigentlich die „Zauberflöte“ hätte leiten sollen. Als die Lehrertochter aus Hildesheim mit 27 Jahren ans Theater Erfurt berufen wurde, war sie die jüngste Generalmusikdirektorin Europas, seit 2018/19 hat die Ausnahmedirigentin diesen Posten in Nürnberg inne. Für die „Così“ beriet sich Mallwitz zwei Tage und Nächte lang telefonisch mit Regisseur Christof Loy, um eine coronabedingte Vorgabe zu erfüllen – eine 50 Minuten kürzere Streichfassung, die man ohne Pause spielen kann. „Ein schmerzhafter Prozess“, wie sie der APA sagte. Mallwitz, mit dem Tenor Simon Bode verheiratet, gibt am Sonntag ihr Festspieldebüt und ist nach Anne Manson (1994) und Julia Jones (2004) die erst dritte Frau, die beim Festival eine Oper dirigiert.
Premiere: 2. August, 17 Uhr, Festspielhaus
Sophie Semin
Als sie sich kennenlernten, war die ausgebildete Juristin Pressesprecherin des Modeschöpfers Yohji Yamamoto in Paris. Das war 1990. Seither sind die Französin Sophie Semin und Peter Handke ein Paar. 1991 kam die gemeinsame Tochter Léocadie zur Welt. 1992 stand Semin unter seiner Regie im Film „Die Abwesenheit“ erstmals vor der Kamera und musste sich dabei gegen Kaliber wie Jeanne Moreau und Bruno Ganz behaupten, ohne je eine Schauspielausbildung genossen zu haben. Diese holte sie Mitte der 90er-Jahre nach. Danach spielte die mittlerweile 59-Jährige Theater in Frankreich. Im internationalen Kino war sie zuletzt in Wim Wenders’ „Die schönen Tage von Aranjuez“ zu sehen, es ist die Verfilmung eines Handke-Stücks. Nun steht sie in Salzburg nach Claus Peymanns Abschiedsarbeit am Wiener Burgtheater mit "Die Fahrt im Einbaum" zum zweiten Mal in einem Werk ihres Ehemanns auf der Bühne – als eine von sieben Schauspielerinnen und Schauspielern im Drama „Zdenek Adamec“ um einen jungen Tschechen, der sich 2003 selbst verbrannt hat.
Uraufführung: 2. August, 20 Uhr, Landestheater Salzburg.
Anita Lasker-Wallfisch
Ihre Rede könnte einer der Höhepunkte dieser Festspiele werden: Cellistin Anita Lasker-Wallfisch ist eine der letzten Überlebenden des „Mädchenorchesters von Auschwitz“. Die 95-Jährige hat lange gebraucht, um über diese Zeit und den Tod ihrer Eltern, die 1942 von den Nazis ermordet wurden, zu sprechen. Nach Kriegsende emigrierte sie nach England, wo sie das English Chamber Orchestra mitbegründete und heute noch lebt. Erst als ihre Kinder erwachsen waren, schrieb sie ihre Erinnerungen in „Ihr sollt die Wahrheit erben“ nieder. Seitdem fährt sie als eine der letzten Zeitzeuginnen um die Welt und berichtet über die Gräueltaten der Nazis. „Es geht nicht um mich. Ob mir etwas etwas bedeutet, ist im Grunde egal. Ich hoffe, es bedeutet anderen etwas“, sagte sie zur Kleinen Zeitung. Ihre Tochter Maya Lasker-Wallfisch zeichnet in „Briefe nach Breslau“ (Suhrkamp) nun die Familiengeschichte nach.
Rede über das Jahrhundert: 15. August, 12 Uhr, Felsenreitschule.
Ursina Lardi
Sie ist „Everywoman“. Die Figur in Milo Raus gleichnamigem Stück ist erwartungsgemäß eine Reflexion auf den „Jedermann“ – das ist aber schon das Maximum an Vorhersehbarkeit in diesem Solo. „Was mich bei ihr von Anfang an faszinierte, ist
ihre Abenteuerlust“, sagt der für seine intensiven, hochpolitischen Projekte bekannte Schweizer Regisseur über seine Landsfrau Ursina Lardi, die an der Berliner Schaubühne engagiert ist und dort schon mehrfach mit ihm gearbeitet hat. Für „Everywoman“ haben sie zum Thema Tod gemeinsam in Brasilien recherchiert – und wurden dabei vom Coronavirus überrascht. Die Erfahrung floss in das Salzburger Projekt mit ein, in dem Lardi allein auf der Bühne steht, aber zwei Rollen verkörpert. Es werde „ein sehr persönlicher Abend werden“, sagt die Schauspielerin: „Vielleicht der persönlichste, den ich je gemacht habe.“
Uraufführung: 19. August, 19.30 Uhr, Szene Salzburg.