1 Von wegen elitär: Die billigste Festspielkarte kostet heuer 5 Euro.
2 Allerdings: Die teuerste kostet 445 Euro.
3 Insgesamt wurden heuer 76.000 Karten aufgelegt.
4 Ursprünglich geplant waren 230.000.
5 Fast 10.000 Tickets sind noch zu haben. Auch für Konzerte mit Stars wie Anna Netrebko, Juan Diego Flórez, Cecilia Bartoli, Igor Levit.
6 Für junges Publikum bis 27 gibt es heuer stark verbilligte Karten. Aber nur hier: ticketgretchen.com
7 Für den „Jedermann“, der in regulären Jahren rund 35.000 Besucher zählt, wurde heuer coronabedingt nur ein Bruchteil der Karten aufgelegt.
8 Alle Vorstellungen sind offiziell ausverkauft, auf der Website gibt’s aber noch Tickets (180 Euro).
9 Wer keine Karte ergattert, kann sich in der Leica-Galerie Oskar Anrathers Fotoschau „Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes, 1965 bis 1998“ ansehen – „Jedermann“-Bilder aus vier Jahrzehnten.
10 Gage für den Schauspieler Werner Krauß als Tod im allerersten Salzburger „Jedermann“ 1920: 1 Lederhose.
11 Gage für den Schauspieler Peter Lohmeyer als Tod im heurigen Salzburger „Jedermann“: geheim.
12 Die „Jedermann“-Bühne von 1920 war angeblich aus demontierten Kriegsgefangenenbaracken zusammengezimmert.
13 Dass im Stück die Domglocken zu Unterhaltungszwecken geläutet wurden, erzürnte in den Anfangsjahren manche Salzburger Bürger.
14 Weit übler: Die Zeitschrift „Der Eiserne Besen“ des Antisemitenbundes hetzte jahrelang gegen die „verjudeten“ Festspiele und lancierte Kampagnen gegen ihren Gründer Max Reinhardt und „Jedermann“-Hauptdarsteller Alexander Moissi.
15 Von 1938 bis 1945 verbot NS-Propagandaminister Goebbels dann die Aufführung des Stücks.
16 Stattdessen wurde das „Lamprechtshausner Weihespiel“ gegeben, ein heute zu Recht vergessenes Nazi-Machwerk.
17 „Der Tod war sein Markenzeichen“, schreibt Biograf Rüdiger Schaper über „Jedermann“ Alexander Moissi: „Keiner starb auf der Bühne so oft und so vollendet schön.“
18 Bisher folgten auf Moissi weitere zehn österreichische Jedermänner: Attila Hörbiger, Walther Reyer, Maximilian Schell, Klaus Maria Brandauer, Helmuth Lohner, Peter Simonischek, Nicholas Ofczarek, Cornelius Obonya, Philipp Hochmair und Tobias Moretti.
19 Die deutschen Darsteller: Paul Hartmann, Ewald Balser, Will Quadflieg, Ernst Schröder, Curd Jürgens, Gert Voss, Ulrich Tukur.
20 Die Schweiz verzeichnet mit Doppelstaatsbürger Maximilian Schell nur einen halben Jedermann.
21 In 100 Jahren gab es also erst 18 Jedermänner.
22 Dafür schon 25 Buhlschaften. Die Rolle interessiert ihre Darstellerinnen wohl eher nicht auf Dauer.
23 Sie umfasst aber auch nur 30 Sätze.
24 Die Buhlschaft 2020, Burgschauspielerin Caroline Peters, will die Rolle dennoch „hintergründig und tiefgründig“ interpretieren.
25 „Everywoman“ gibt es heuer auch. In dem Festspiel-Solo setzt sich die Schauspielerin Ursina Lardi mit dem „Jedermann“- Stoff auseinander. Regie führt Milo Rau.
26 Weil Tobias Moretti aufhört, ist hinter den Kulissen bereits die Suche nach dem Jedermann 2021 ff. im Gang.
27 Spekulationskandidaten mit der nötigen Starpower: Philipp Hochmair (Einspringer 2018), Jens Harzer (Iffland-Ring-Träger), Jörg Hartmann.
28 Oder gar Morettis Bruder Gregor Bloéb?
29 Der „Jedermann“ kam bei der Festspiel-Geburtsstunde übrigens nur zum Zug, weil Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss mit ihrer Bearbeitung von Calderons „Das große Welttheater“ nicht rechtzeitig fertig wurden.
30 Dessen Uraufführung folgte 1922. Wollte aber eher keiner sehen, 1925 war nach einem Wiederaufnahmeversuch endgültig Schluss.
31 „Großes Welttheater“ heißt nun aber die Salzburger Landesausstellung zum Thema „100 Jahre Festspiele“ im Salzburg-Museum.
32 Uraufgeführt wurde Hofmannsthals „Jedermann“ schon 1911 in Berlin. Der Kritiker Alfred Kerr schloss seinen Verriss mit den Worten: „Ich warne.“ Hat nichts geholfen.
33 Altbackene Sprache und biedere Moralität des „Jedermann“ sind seit Jahrzehnten Gegenstand des Hohns. Das Stück „kann auch ein christlicher Gesellenverein spielen“, lästerte z. B. Helmut Qualtinger.
34 Und jeder kennt Ernst Jandls Spottwort von den „salzenburger fetzenspielen“. Es stammt aus seinem Stück „die humanisten“, verfasst in Gegenwehr zur bürgerlichen Erregung über Wolfgang Bauers „Gespenster“ im „steirischen herbst“ 1975.
35 Textüberarbeitungspläne gab es öfter. Etwa von Peter Handke, Botho Strauß, Hans Magnus Enzensberger. Dazu gekommen ist es nie.
36 Wichtigste Uraufführung 2020: Peter Handkes „Zdenèk Adamec“.
37 Friederike Heller setzt sie in Szene. Es ist ihre vierte Handke-Regie.
38 Zdenèk Adamec war ein junger Tscheche, der sich 2003 in Prag aus Protest selbst verbrannte. Das Stück geht seinen Motiven dafür nach.
39 Heller nennt den Text „Sprachmusik“ und findet trotz des tragischen Themas: „In Peter Handkes Texten lauert stets der Schalk“.
40 Es gibt in dem Stück keine Figuren und keine Rollenzuschreibungen.
41 Unter den sieben Schauspielern, für die sich Heller entschied, ist Handkes Ehefrau Sophie Semin.
42 Die Titelfigur kommt im Stück selbst nicht vor.
43 Handke erhofft sich von Heller eine „freie und treue“ Umsetzung: „Ich freu mich drauf. Ich glaub, das könnte etwas werden.“
44 Eintritt in Mozarts Geburtshaus: 12 Euro.
45 Herbert von Karajans Geburtshaus in der Josef-Friedrich-Hummel-Straße kann man hingegen nicht besichtigen. Es ist, trotz Schilds an der Fassade, auch gar nicht sein Geburtshaus. Er kam nämlich in einem längst geschlossenen Sanatorium in der Franz-Josef-Straße zur Welt.
46 Karajan, von 1957 bis 1988 die prägende Persönlichkeit der Festspiele, hat dort 337-mal dirigiert und immerhin 14-mal inszeniert. Fazit des Autors Friedrich Torberg: „Ein Regisseur von der Qualität Karajans ist für einen Dirigenten von der Qualität Karajans nicht gut genug.“
47 2014 haben Unbekannte von Karajans Bronzedenkmal am Elisabethkai den Taktstock abgebrochen.
48 Die Täter sind nach wie vor flüchtig.
49 Ehre, wem Ehre gebührt: Nach Karajan ist in Salzburg ein Platz in der Altstadt benannt. Sowie eine Bushaltestelle, die von den Linien 1, 4, 8, 22 angefahren wird.
50 Größter Festspiel-Skandal der ersten 100 Jahre: Wegen seines Eintretens für Bertolt Brecht wurde Gottfried von Einem 1951 aus dem Direktorium ausgeschlossen.
51 Schallendster Skandal der Festspielgeschichte: Im Jahr 1985 verpasste Regisseur Piero Faggioni einem Festspiel-Funktionär sechs (!) Ohrfeigen, als der wegen zwei Nackter in Verdis „Macbeth“ einzuschreiten versuchte.
52 Jüngster Skandal des Festivals: Anno 2015 erregte die Bühnen-Band des „Jedermann“ mit ein paar Takten der „Internationale“ anlässlich des Festspielbesuchs des damaligen FPÖ-Chefs Heinz-Christian Strache dessen Fans.
53 Wissenswertes (nicht nur) für Kinder: Von der Terrasse des Museums der Moderne auf dem Mönchsberg kann man sehr gut hinunterspucken. (Soll man aber nicht.)
54 Derzeit in dem Museum zu sehen: „Wilhelm Thöny. Träumen in schwierigen Zeiten.“ Bis 10. November.
55 Zum Auswendiglernen: Der Salzburger Festungsberg ist 542 Meter hoch. Der Mönchsberg 508 Meter, der Rainberg 510 Meter, der Kapuzinerberg 636 Meter, der Bürglstein 451 Meter, der Nonnberg 450 Meter.
56 Man kann alle ersteigen und kommt dabei schön ins Schwitzen.
57 Oder man gibt sich als Salzburger aus und darf dann gratis mit der Bahn auf den Festungsberg fahren.
58 Der berühmte „Nonnberger Hund“ ist eigentlich ein Löwe: der stark verwitterte Rest einer romanischen Steinfigur.
59 Die Erzbischofsstadt Salzburg hat ungefähr 150.000 Einwohner und rund 50 Kirchen.
60 Die Stadt verfügt damit über die gleiche Kirchendichte wie Rom.
61 Der Luzifer, den der Erzengel Michael auf dem Altarbild von Salzburgs ältestem Gotteshaus, der Michaelskirche, in die Hölle hinunterstürzt, leuchtet in schönstem Erdbeerrot.
62 Seit 2013 ist in Salzburg jede Woche Lederhosen-Donnerstag. Erfunden haben ihn Christian Eibl und Georg Klampfer, offiziell zur Pflege der Tracht. Ihre Homepage nährt den Eindruck, es sei ihnen dabei auch sehr um die Pflege des Feierabendbiers gegangen. www.lederhosendonnerstag.at
63 Die Salzburger Fremdenführer bieten zum Thema „Schnürlregen“ eine eigene Führung an.
64 Beim Promiwirt Goldener Hirsch kostet die Frittatensuppe 7 Euro.
65 Wer cool genug ist, unbeteiligt zu tun, wenn Anna Netrebko am Nebentisch einen Cappuccino bestellt, geht am besten ins Café Triangel.
66 Den schönsten Blick auf die Festung Hohensalzburg hat man von der Stein-Terrasse. www.hotelstein.at
67 Den schönsten Blick auf die Stein-Terrasse hat man von der Burg Hohensalzburg. (Und überhaupt den schönsten Blick auf die Stadt.)
68 Die Wassertemperatur der Salzach beträgt derzeit 13,5 Grad.
69 Man bleibt also besser am Ufer sitzen. Machen viele Salzburger auch so.
70 Oder man geht mit ihnen in den Almkanal schwimmen. Ist aber a....kalt.
71 Viel wärmer fühlen sich die Fontänen der Wasserspiele in Schloss Hellbrunn allerdings auch nicht an, vor allem, wenn sie einen unvorbereitet im Kreuz treffen.
72 Hellbrunn ist, neben Mönchsberg, Kapuzinerberg und Mirabellgarten, Schauplatz des Kunstprojekts „Der Traum von einem Feentempel“, das an nie gebaute Festspielhäuser erinnert.
73 Max Reinhardt wollte das Festspielhaus an sich in Hellbrunn errichten.
74 Dafür wurde 1922 sogar der Grundstein gelegt.
75 Irgendwo dort liegt er noch immer.
76 Letztlich wurden für das Große Festspielhaus in der Altstadt 55.000 Kubikmeter Fels aus dem Mönchsberg gesprengt.
77 Der Eiserne Vorhang dort wiegt 38.000 kg.
78 Ewige Challenge für die Regie: Für die Überquerung der Bühne im Großen Festspielhaus bräuchte selbst Usain Bolt mindestens 9,58 Sekunden. Sie ist 100 Meter breit.
79 Kurzfristig und überraschend wurde heuer Mozarts „Cosi fan tutte“ auf die Festspielhausbühne gewuchtet. Christoph Loy führt Regie, Joana Mallwitz dirigiert.
80 Die 36-Jährige ist in 100 Jahren Festspiele nach der Britin Julia Jones (2004, Mozarts „Entführung aus dem Serail“) die zweite Frau, die eine ganze Aufführungsserie dirigiert.
81 Die Oper wurde um 50 Minuten gekürzt.
82 Der Wiener Staatsopernchor singt bei den beiden Festspielopern „Elektra“ und „Così“ aus dem Off – zur Minderung des Ansteckungsrisikos durch Aerosole.
83 Das Corona-Präventionskonzept der Festspiele umfasst 41 Seiten. Darin enthalten: Masken-, Ausweis- und Abstandsregeln für Gäste, Contact Tracing etc.
84 Schlechte Nachricht für die Sektchen-Fraktion: Es gibt bei Vorstellungen weder Pausen noch Bewirtung.
85 Künstler und Mitarbeiter der Festspiele sind streng in drei Gruppen geteilt. In der „roten Gruppe“: Alle, die bei der Arbeit die Abstandsregel nicht einhalten und keine Maske tragen können, z. B. Schauspieler und Sänger.
86 Allerschönstes Festspielhaus: die Felsenreitschule. Keine Widerrede!
87 Klein gedacht wurde hier nie: Max Reinhardt ließ einst für seinen „Faust“ eine ausgewachsene Linde auf die Bühne pflanzen.
88 Andererseits: Idealgröße, wenn man im Festspielschauplatz Landestheater bequem sitzen will: 1,50 m.
89 Für viele der einzig wahre Sitzplatz von Salzburg: der Balkon vom Café Tomaselli. Dazu Apfelstrudel.
90 Ganz neue Erkenntnis: Die Getreidegasse ist ohne Touristenströme ja wirklich recht ansehnlich!
91 Society-Treffpunkt Salzburg: Schwedens Königspaar Carl Gustav und Silvia, die niederländische Königin Beatrix, Prinz Charles – alle schon da gewesen.
92 Detto Václav Havel und Salman Rushdie.
93 Der Dalai Lama hielt 1992 die Eröffnungsrede.
94 Heuer hatte sich Wladimir Putin angesagt, ist aber bis jetzt nicht gekommen.
95 Sogar Donald Duck war schon einmal da. In der Story „Die Ducks in den Alpen“ jagt er einen Elefanten über den Domplatz und wird dafür mit Mozartkugeln beworfen.
96 Apropos: Kein Salzburg-Besuch ohne Original Mozartkugel von Fürst.
97 Unbedingt empfiehlt sich aber der Vergleich mit den ebenfalls handgemachten Mozartkugeln von Holzermayr, Braun, Schatz und Café Habakuk.
98 Salzburger Nockerln haben pro 100 Gramm 260 Kalorien.
99 Zum Glück wiegen sie fast nichts, wenn man sie richtig zubereitet.
100 Auch am einzigartigen Duft erkennt man Salzburg im Sommer: An Premierenabenden riecht es im Festspielbezirk nach exquisiten Damenparfums plus den Äpfeln der Fiakerpferde.
Ute Baumhackl