Das aktuelle Jubiläumsjahr zum 100. Geburtstag ist für die Salzburger Festspiele angesichts der Beschränkungen durch die Coronakrise ein besonderes. Im Folgenden ein alphabetisch gereihter Blick auf zehn Festspielkünstlerinnen und -künstler, welche die heurige, kurzfristig zusammengestellte Spezialausgabe des Festivals besonders prägen werden:
MARIANNE CREBASSA
Die französische Mezzosopranistin Marianne Crebassa (33) hat sich schon in jungen Jahren als Festspielliebling des Salzburger Publikums etabliert. Bereits 2012 gab sie hier ihr Debüt in einem konzertanten "Tamerlano", im Folgejahr stand sie in Mozarts "Lucio Silla" und 2014 in der Titelrolle der neuen Oper "Charlotte Salomon" auf der Bühne. 2017 schließlich folgte ihr eindrucksvolles Rollendebüt als Sesto in "La Clemenza di Tito" unter Teodor Currentzis. Ein Salzburger Geheimtipp ist die Französin, die in ihrer Heimatstadt Montpellier schon mit 21 Jahren als Solistin auf der Opernbühne stand, allerdings längst nicht mehr. Nicht nur, aber vielfach im Mozart-Fach, ist sie zwischen Berliner Staatsoper, Mailänder Scala, Pariser Garnier und vielen weiteren wichtigen Opernhäusern zum Fixstern geworden. Bei den Festspielen kehrt sie in der für die reduzierte Festspielausgabe eigens neu konzipierten "Cosi" als Dorabella zurück. An der Wiener Staatsoper wird sie im Februar 2021 die Angelina in Rossinis "La Cenerentola" geben.
ELSA DREISIG
Elsa Dreisig ist kein Shootingstar, sondern eine Sängerin, deren Karriere sich beständig und stetig, aber nicht im Stile einer Rakete nach oben entwickelt. Die lyrische Sopranistin mit Zug zum Spinto entstammt einer franko-dänischen Familie, in der sowohl Mutter wie auch Vater, Tante wie auch Cousine im Gesangsbereich ihr Geld verdien(t)en. Seit 2015 zunächst im Opernstudio des Hauses, ist Dreisig seit 2017/18 an der Berliner Staatsoper Ensemblemitglied und erschließt sich dort sukzessive das Repertoire. In Salzburg war die mittlerweile 29-Jährige bereits 2017 und 2018 in Orchesterkonzerten zu erleben, ihr szenisches Debüt wird sie bei der heurigen Spezialausgabe in der von Christof Loy inszenierten "Cosi fan tutte" als Fiordiligi geben - eine Partie, die sie eigentlich im April in Berlin in einer Inszenierung von Vincent Huguet hätte interpretieren sollen. Da diese ob Corona auf kommendes Jahr verschoben ist, kommen nun die Salzburger Festspielgäste in den Genuss.
ASMIK GRIGORIAN
Asmik Grigorian ist einer der Festspiellieblinge an der Salzach, seit sie sich hier 2018 mit der epochalen "Salome" von Regiemystiker Romeo Castellucci an die Spitze ihrer Zunft sang und spielte. Die mittlerweile 39-jährige litauische Sopranistin ist dabei ein recht ungewöhnlicher Star. Vom Aspekt ihrer stimmlichen Ausdrucksmöglichkeiten und ihrer unbedingten Vertiefung in die jeweiligen Partien her zählt die Tochter eines armenischen Tenors zweifelsohne zur absoluten Spitze ihres Fachs, und zugleich verweigert sich die zweifache Mutter konsequent einem überhitzten Opernreisezirkus. Stattdessen fokussiert sie sich auf ausgewählte Projekte, die sie reizen, ohne dass sie dabei notwendigerweise in der ersten Reihe stehen muss. Nachdem sie 2019 ihren Festspieltriumph mit der "Salome" nochmals wiederholte, ist Grigorian heuer in der Felsenreitschule bei der Auftaktinszenierung von Strauss' "Elektra" zu erleben - allerdings nicht in der Titelpartie, die ihre Landsfrau Ausrine Stundyte interpretiert, sondern in der kleineren Rolle der Chrysothemis. Dass Grigorian aber auch weiterhin Großpartien kann, wird sie am 7. September unter Beweis stellen, wenn sie als "Madama Butterfly" die Staatsoperndirektion von Bogdan Roscic einläutet.
FRIEDERIKE HELLER
Seit 2005, als Friederike Heller die österreichische Erstaufführung von Peter Handkes "Untertagblues" am Akademietheater erfrischend ehrfurchtslos und szenisch recht abstrakt umsetzte und dafür in der Kritikerumfrage der Zeitschrift "Theater heute" zur Nachwuchsregisseurin des Jahres gekürt wurde, gilt die 1974 geborene Berlinerin als eine der Handke-Spezialistinnen der jungen Generation. 2006 brachte sie ihre Version von Handkes "Die Unvernünftigen sterben aus" zum "Young Directors Project" nach Salzburg mit, ein Jahr später inszenierte sie seine "Spuren der Verirrten" am Akademietheater. Einige respektable Karriereschritte und Inszenierungen in (u.a.) Dresden, Stuttgart, Berlin, Zürich und Hamburg später, ist ihr mit "Zdenek Adamec" nun erstmals eine Handke-Uraufführung in die Hände gelegt. Der Nobelpreisträger erhofft sich eine "freie und treue" Umsetzung: "Die Partitur ist diesmal schwierig, die Rollen sind nicht fixiert, es gibt nur die einzelnen Dialogrhythmen. Ich freu mich drauf. Ich glaub, das könnte etwas werden."
URSINA LARDI
Die in Berlin lebende Schweizer Schauspielerin Ursina Lardi hat sich seit ihrer Ausbildung an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch ein breites Repertoire von Julia und Gretchen bis zur Ranjewskaja in Tschechows "Kirschgarten" erspielt und ist seit 2012 Ensemblemitglied der Berliner Schaubühne. Dort hat sie auch mit dem Regisseur Milo Rau viel zusammengearbeitet (u.a. bei "Mitleid. Die Geschichte des Maschinengewehrs" und "Lenin"). "Was mich bei ihr von Anfang an faszinierte, war ihre Abenteuerlust. Ihre Lust, Neues auszuprobieren", sagt Milo Rau über sie. Gemeinsam erarbeiten sie heuer für die Salzburger Festspiele "Everywoman" als Spiegelprojekt zum "Jedermann". Dieses Solo feiert am 19. August seine Uraufführung in der Szene Salzburg. Die 49-Jährige hat zudem eine lange Liste an Film- und Fernsehauftritten - auch in zwei österreichischen Filmen: In Michael Hanekes "Das weiße Band" spielte sie ebenso mit wie in Robert Adrian Pejos Verfilmung des Glavinic-Romans "Der Kameramörder".
ANITA LASKER-WALLFISCH
Die Cellistin Anita Lasker-Wallfisch, die am 17. Juli ihren 95. Geburtstag feiert, ist eine der letzten Überlebenden des Mädchenorchesters von Auschwitz. Ihre am 15. August gehaltene dritte von vier "Reden über das Jahrhundert" könnte der Höhepunkt des zum 100-Jahr-Jubiläum zusammengestellten historisch-literarischen Programms werden. Nachdem ihre Eltern 1942 deportiert und ermordet wurden, kam sie mit ihrer Schwester Renate in ein Breslauer Waisenhaus und musste Zwangsarbeit leisten. Beim Versuch, mit Hilfe eigenhändig gefälschter Pässe nach Frankreich zu entkommen, wurden sie verhaftet und verurteilt. Im Dezember 1943 wurde sie nach Auschwitz deportiert, später kam sie nach Bergen-Belsen. Kurz nach Kriegsende emigrierte Lasker-Wallfisch nach Großbritannien, wo sie das Londoner English Chamber Orchestra mitbegründete und bis heute lebt. Sie hat lange über ihre Lebensgeschichte geschwiegen. Erst als ihre Kinder erwachsen waren, hat sie ihre Erinnerungen in ihrem Buch "Ihr sollt die Wahrheit erben" aufgeschrieben und sich entschlossen, vor Schülern und Jugendlichen über die erlebten Gräuel zu sprechen. Ihre Tochter Maya Lasker-Wallfisch hat in "Briefe nach Breslau" die Geschichte aus der Sicht der Nachgeborenen aufgearbeitet.
IGOR LEVIT
Nicht nur wegen seines bestechenden Spiels gehört Igor Levit zu den wichtigsten Pianisten unserer Zeit. Der 33-Jährige, gebürtiger Russe mit Wahlheimat Berlin, ist mit seiner riesigen Twitter-Gemeinde, der er in der Coronazeit tägliche Hauskonzerte lieferte, mit klaren gesellschaftspolitischen Ansagen oder mit seinem populären Beethoven-Podcast auch ein meisterlicher Kommunikator. Sein jüngster Chartserfolg ist eine CD-Box mit sämtlichen Beethoven-Sonaten, und mit ebendiesem umfangreichen Programm ist Levit, seit der Intendanz von Markus Hinterhäuser Teil der fixen Festspielbesetzung, nicht nur im ursprünglichen Jubiläumsprogramm vertreten, sondern auch im adaptierten. Dort bestreitet er ab 2. August stolze 15 Prozent des heurigen Konzertprogramms: Acht Konzerte, 32 Sonaten - doch noch ein Beethovenjahr, das virusbedingt sonst kaum wiederzuerkennen war.
JOANA MALLWITZ
Joana Mallwitz ist ein Shootingstar - und unwillentlich eine Krisengewinnlerin. Die junge deutsche Dirigentin (Jahrgang 1986) war auch schon vor Corona für die Festspiele verpflichtet und hätte ursprünglich die Wiener Philharmoniker bei der Wiederaufnahme von Lydia Steiers "Zauberflöten"-Inszenierung durch den Abend führen sollen. Nachdem dieses Projekt nun auf 2021 verschoben wurde, bleibt Mallwitz heuer aber nicht arbeitslos, im Gegenteil. Die Maestra wird in ihrem persönlichen Salzburgdebüt bei der kurzfristig für die Spezialausgabe entwickelte Neuinszenierung der "Così fan tutte" durch Christof Loy am Pult stehen. Die um 50 Minuten gekürzte temporeiche Version werde "eine ganz spezielle Fassung für eine ganz spezielle Situation", sagte sie im APA-Interview: "Ohne Corona würde man das nicht machen." Mallwitz dirigiert als erste Frau bei den Festspielen eine Oper. Jüngste Generalmusikdirektorin Europas wurde sie bereits, als sie mit der Saison 2014/15 ans Theater Erfurt berufen wurde - mit nur 27 Jahren. Allzu weit hat es die Dirigentin dabei nicht mit der Anreise nach Salzburg, ist sie doch schließlich als Generalmusikdirektorin seit 2018/19 in Nürnberg engagiert.
CAROLINE PETERS
An ihr kommt derzeit niemand vorbei: Die 48-jährige Deutsche Caroline Peters ist in Film, Fernsehen und Theater gleichermaßen präsent und beliebt. In der Krimiserie "Mord mit Aussicht" (2008 bis 2014) wurde sie als Kriminaloberkommissarin Sophie Haas einem breiten TV-Publikum bekannt, auf der Filmleinwand ist sie immer wieder zu sehen, am Theater war sie u.a. mehrfach "Schauspielerin des Jahres", und seit 2018 ist sie auch Nestroy-Preisträgerin. "Es gibt scheinbar nichts, was diese große Schauspielerin nicht kann", befand die Jury. "Caroline Peters verkörpert nicht nur einzelne Rollen, sondern lebt sie mit einer oft beängstigenden, zu Herzen gehenden Intensität. Sie ist eine Verwandlungskünstlerin im allerbesten Sinne." Peters, die seit 2004 festes Ensemblemitglied des Burgtheaters ist und zuletzt in Elfriede Jelineks "Schwarzwasser" als Gorilla im pinken Fellkostüm auftrat, ist "die Jahrhundert-Buhlschaft" und wagt in der prominentesten Minirolle, die die Festspiele zu vergeben haben, ein Abenteuer. Die Frage, ob sie ihr viel gerühmtes komödiantisches Talent auch beim "Jedermann" einbringen werde können, "habe ich mir auch schon gestellt", bekannte sie bei ihrer Präsentation. Denn: "Wille zu Expressivität und Übertreibung kann ja am Domplatz nicht schaden."
KRZYSZTOF WARLIKOWSKI
Seine "Elektra" ist die einzige Opernproduktion, die es aus dem Prä-Corona-Jubiläumsprogramm in den heurigen Festspielsommer geschafft hat. In Salzburg hat sich der polnische Regisseur und Intendant Krzysztof Warlikowski (58) bereits vor zwei Jahren mit seiner Inszenierung von Hans Werner Henzes "The Bassarids" vorgestellt. Der charismatische Theatermacher, der in seiner Heimat zu den wichtigsten Figuren der zeitgenössischen Szene gehört und 2008 das Nowy Teatr in Warschau gründete, hat mit Opern von Richard Strauss unter anderem an der Bayerischen Staatsoper Erfahrung gesammelt, regelmäßig ist er auch in Paris oder Stuttgart tätig. "Ich komme mit Fragen", sagte Warlikowski im Jahr 2018 in Salzburg über seinen Zugang zu den Stücken. "Man kann nicht hoffen, sie zu beantworten, sondern man versucht, die Fragen auf die Bühne zu bringen. Aber manchmal gibt die Musik, das Stück, dann doch Antwort."