Bloß 19 Darsteller haben in der 100-jährigen Geschichte der Salzburger Festspiele die Paraderolle im Paradestück des Festivals verkörpert: Jedermann, der reiche Prasser, der angesichts des Todes geläutert wird. Zwar stand das Stück von Hugo von Hofmannsthal nicht immer auf dem Programm (die Nazis verzichteten etwa darauf), doch immer war ein allererster Schauspieler am Werk. Mögliche Top Ten:

1920-1921/1926-1931 ALEXANDER MOISSI

Schon der erste Jedermann war ein absoluter Schauspielsuperstar seiner Zeit. Alexander Moissi (1879-1935) wurde von Josef Kainz entdeckt und von Max Reinhardt durchgesetzt. Sein Markenzeichen war sein singender Sprechduktus, mit dem der gebürtige Triestiner seine nicht deutschsprachige Herkunft in einen Vorteil verwandelte, sein Trumpf der Bühnentod, den er im "Jedermann" perfektionieren konnte, eine Rolle, die er bereits bei der Uraufführung 1911 in Berlin verkörperte. "Der Tod war sein Markenzeichen", schreibt sein Biograf Rüdiger Schaper. "Keiner starb auf der Bühne so oft und so vollendet schön wie Moissi." Und noch eine Tradition begründete er "mit seiner Vorliebe für schnelle Autos, Villen und einem reichen Liebesleben": Die erfolgreichsten Jedermänner sorgten mit einem Lebemänner-Image nicht nur für Rollen-Identifikation, sondern auch dafür, dass von ihnen nicht nur auf der Bühne die Rede war.

1935-1937/1947-1951 ATTILA HÖRBIGER

Kunst und Kontinuität: Attila Hörbiger (1896-1987) zählt zu den größten und umstrittensten österreichischen Schauspielern des vergangenen Jahrhunderts. 1935 wurde er von seinem Lehrmeister Max Reinhardt als Jedermann engagiert und bestach als knorriger Naturbursch, der mit polternder Lebensfreude auftrumpfen konnte. "Wissen Sie, Hörbiger", soll Reinhardt geschwärmt haben, "Moissi war der B'sondermann, aber Sie sind der Jedermann." Hörbiger hatte er wegen seiner NS-Mitgliedschaft, demonstrativem Hitler-Gruß von der Bühne herab und nicht zuletzt wegen seiner Mitwirkung an dem antisemitischen Hetz-Film "Heimkehr" (an der Seite seiner Gattin Paula Wessely) nach dem Krieg hohen Erklärungsbedarf. Seinem Jedermann-Comeback 1947 stand dies - nach Aufhebung des vorübergehenden Aufführungsverbots - dennoch nicht im Wege.

1952-1959 WILL QUADFLIEG

Auch Hörbigers Nachfolger, der deutsche Schauspieler Will Quadflieg (1914-2003), ist eine Bühnenlegende ersten Ranges. Er spielte von Faust und Mephisto über Hamlet bis zu Othello und Nathan nahezu alle großen Bühnenrollen und wurde für seine Sprechkunst gerühmt. Für seine Involvierung in NS-Propagandafilmen entschuldigte er sich später. "Quadflieg als Jedermann hat zweifellos mehr Sex-Appeal als Hörbiger. Dabei ist seine Attraktivität nervös gebrochen", schreibt der Kritiker und Publizist Andres Müry. "Quadflieg lädt die Rolle mit den Selbstzweifeln der verheizten Generation auf. (...) An die christliche Erlösung mag er nicht glauben, wohl aber an die Aufhebung des Schreckens im Kunstschönen."

1960-1968 WALTHER REYER

Der Tiroler Walther Reyer (1922-1999) war der Jedermann der 1960er-Jahre. Der Burgschauspieler, der zuvor bereits als "Guter Gesell" mit dabei war, brachte die österreichische Note wieder auf den Domplatz zurück und wurde von der Boulevardpresse wegen seiner Lebens- und Trinkfreude geliebt. "Auch für einen anderen Rekord steht er", notiert Müry in seinem Buch "Jedermann darf nicht sterben": "In neun Sommern verschleißt er drei Regisseure und sechs Buhlschaften, darunter die Filmschönheit Nadja Tiller."

1973-1977 CURD JÜRGENS

Mit seinem Lebensstil kam der 1,93 Meter große deutsch-österreichische Schauspieler Curd Jürgens (1915-1982) der von ihm verkörperten Figur sehr nahe. Luxus, ausschweifende Partys, schnelle Autos, wechselnde Frauen, exzessiver Alkoholkonsum - all' das machte ihn zum idealen Jedermann der 1970er und zum Teil eines internationalen Jet Sets, der zwischen Paris, der Schweiz und der Cote d'Azur auch an der Salzach Station machte, wo Herbert von Karajan die Festspiele in den Mittelpunkt eines glamourösen Treibens rückte. Der "normannische Schrank" (Brigitte Bardot) und Buhlschaft Senta Berger waren das Traumpaar dieser Jahre, in denen alles möglich schien - wenn nicht der Tod bzw. (im Fall von Curd Jürgens) eine Herzoperation dazwischenkommt.

1978-1982 MAXIMILIAN SCHELL

1962 mit dem Hauptrollen-Oscar für seine Rolle als Verteidiger in Stanley Kramers Gerichtsfilm "Das Urteil von Nürnberg" ausgezeichnet, konnte Maximilian Schell (1930-2014) auf eine beachtliche internationale Filmkarriere zurückblicken, als er das erste Mal auf dem Domplatz dem Tod ins Auge sah. Sein Ehrgeiz, den der österreichisch-schweizerische Bühnenschauspieler u.a. als Gründgens' Hamlet oder am Royal Court Theatre in London an den Tag legte, wurde in Salzburg enttäuscht. "Die Proben hatten ihre eigenen Gesetze - nämlich keine. Sie fanden gar nicht statt", zitiert Müry aus Schells Tagebuch. "Ich sagte meinen Text auf - die Stellungen waren seit Jahren festgelegt. Jede Unterbrechung, jede Frage eine Last." Für Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler war er "einer der überzeugendsten und besten Darsteller dieser Rolle".

1983-1989 KLAUS MARIA BRANDAUER

Auch Schells Nachfolger Klaus Maria Brandauer (geb. 1943) brachte Hollywoodflair auf den Domplatz: Als Istvan Szabos Spielfilm "Mephisto" 1982 mit dem Oscar in der Kategorie Bester fremdsprachiger Film ausgezeichnet wurde, freute sich der Hauptdarsteller mit seinem Regisseur vor den Augen der Filmelite wie ein kleines Kind - und durfte später mit etlichen US-Protagonisten drehen. Dass der charismatische Burgschauspieler ein Jahr später im Alter von 40 Jahren erstmals die Jedermann-Rolle verkörperte, war ein logischer Schritt in einer großen Karriere. Die große Geste, das intensive Spiel, die egomanische Ausstrahlung - all' das passte ideal zu Figur und Schauplatz. Brandauer wurde zum prägenden Jedermann der 1980er-Jahre.

1990-1994 HELMUTH LOHNER

Deutlich feinnerviger, grüblerischer, intellektueller und zurückhaltender agierte der nächste Jedermann: Helmuth Lohner (1933-2015) wurde als Komiker und Charakterdarsteller geschätzt, den Womanizer und Auftrumpfer nahm man dem Wiener, der sich zuvor als Tod und Teufel auf dem Domplatz tummelte und wenige Jahre später Direktor des Theaters in der Josefstadt werden sollte, nicht wirklich ab. Also entwickelt er eine interessante Interpretation, die das Religiös-Weltanschauliche gegenüber dem Weltlich-Volkstümlichen den Vorzug gab. Mit Sunnyi Melles als Buhlschaft an seiner Seite ergab das eine interessante, schillernde Mischung.

1995-1998 GERT VOSS

Deutlich mehr polternde Äußerlichkeiten brachte der Deutsche Gert Voss (1941-2014) ins Spiel, der 1986 mit Claus Peymann ans Burgtheater kam und sich rasch als Wiener Publikumsliebling und unbestrittener Star etablierte. Als er den Jedermann angeboten bekam, stand er am Zenit seines Könnens. Als "schäumender Frühbarock-Dandy in rotem Samt und Pumphosenseide" (F.A.Z.) verband er naive Fröhlichkeit, zynische Lebenslust und kindlichen Unglauben. Der Vollblutschauspieler genoss es, Tausende Menschen in der Gluthitze der Nachmittagssonne in seinen Bann zu ziehen - und verweigerte die finale Läuterung, die er als verlogen empfand. Er spielte das Ende nicht als inniges Gebet, sondern als misstrauischen Gottes-Pakt: "Ein Mensch, der so lebt und prasst, gelangt am Ende nicht zum Glauben."

2002-2009 PETER SIMONISCHEK

Der Steirer Peter Simonischek (geb. 1946), an der Berliner Schaubühne zu den Größen seines Fachs aufgestiegen, erhielt das Jedermann-Angebot, nachdem er als Burgschauspieler wieder in seine Heimat zurückgekehrt war. Er gab den Prasser als kräftiges, raumgreifendes Mannsbild, die Verzweiflung gelang ihm dabei besser als die barocke Lebenslust. Acht Sommer lang, darunter bei der 500. Vorstellung am 5. August 2003, stand er auf dem Domplatz und ist mit 91 Vorstellungen der bisherige Rekord-Jedermann. Das Erfolgsgeheimnis des Stückes beschreibt er so: "Es ist das Vorführen der größtmöglichen menschlichen Katastrophe, die das Publikum seit dem Jahr 1920 in seinen Bann zieht. Dies macht die Leute zu einer Schicksals-Gemeinschaft."