Wie politisch vermeintlich unpolitische Festspiele sind, lässt sich an der Entwicklung der Salzburger Festspiele in den 1930er- und 40er-Jahren exemplarisch belegen. Der "Anschluss" Österreichs an Deutschland im März 1938 hatte seine unmittelbaren Auswirkungen auf Programm und Künstler. Und schon kurz nach der Befreiung Österreichs starteten die Festspiele 1945 unter US-Patronanz in eine neue Ära.
Im Ständestaat dienten die Salzburger Festspiele einerseits der prononcierten Ausformung eines Österreichbewusstseins, auf der anderen Seite als Bühne für jene Künstler, die aus rassischen oder politischen Gründen in NS-Deutschland verfolgt und mit Auftrittsverboten belegt wurden. Beides war den Nationalsozialisten ein Dorn im Auge. Mit der im Mai 1933 verhängten 1000-Mark-Sperre, bei der deutsche Touristen, die nach Österreich reisen wollten, eine hohe Gebühr zu entrichten hatten, hatte man die deutschen Festspielgäste fast vollständig vertrieben: Statt 15.700 deutsche Besucher im Jahr zuvor zählten die Salzburger Festspiele 1933 nur noch deren 900. 1934 kam es gar zu Bombenanschlägen von Nationalsozialisten gegen Festspieleinrichtungen, nach der Ermordung von Bundeskanzler Dollfuß musste die Festspieleröffnung um einen Tag verschoben werden.
Nach der Machtübernahme der Nazis in Österreich kam es am 30. April 1938 am Salzburger Residenzplatz nicht nur zur einzigen Bücherverbrennung auf österreichischem Boden, auch die "Säuberung" der Festspiele wurde rasch und energisch vorangetrieben. Während Adolf Hitler sich trotz der Nähe seines Domizils auf dem Obersalzberg ("Salzburg hört Hitler atmen" nannte Andreas Novak mit einem Zitat von Francois Mauriac sein Buch über die Festspiele 1933-44) vor allem für die Wagner-Festspiele in Bayreuth interessierte, denen Salzburg keinesfalls in die Quere kommen durfte, und Hermann Göring seine kulturpolitische Spielwiese u.a. an den Berliner Staatstheatern vorfand, machte sich Joseph Goebbels den Umbau der Salzburger Festspiele von einem "jüdischen Hexensabbat" zu einem Weihefestspiel der deutschen Kultur zum besonderen Anliegen.
Als erstes musste der "Jedermann" daran glauben. Nicht nur die jüdische Herkunft des Autors Hugo von Hofmannsthal, vor allem der zutiefst katholische Kern des Stücks war für die neuen Machthaber nicht tragbar. Der Domplatz wurde als Aufführungsort aufgegeben, statt "Jedermann" gab man Kleists "Amphitryon". Vom Spielplan genommen wurde auch Max Reinhardts legendäre "Faust"-Inszenierung in der Felsenreitschule. Reinhardt und die Dirigenten Bruno Walter und Arturo Toscanini waren die prominentesten einer langen Reihe von Künstlern, die in Salzburg nicht mehr arbeiten durfte. Zu den bestimmenden Künstlern der kommenden Jahre wurden Clemens Krauss (der 1941 die künstlerische Leitung übernahm), Hans Knappertsbusch und Karl Böhm. Auch das Publikum wurde ausgetauscht: Statt zahlungskräftiger internationaler Gäste sah man bald viele Teilnehmer der "Kraft durch Freude"-Programme in den Festspielhäusern.
Im August 1939 besuchte auch Adolf Hitler zwei Mozart-Vorstellungen in Salzburg, "Don Giovanni" und "Die Entführung aus dem Serail". Bald darauf wurde bekanntgegeben, dass die Festspiele schon am 31. August, eine Woche früher als geplant, beendet werden - offiziell, weil die Wiener Philharmoniker am Nürnberger Reichsparteitag die "Meistersinger" spielen sollen. Die NS-Spitze wusste zu diesem Zeitpunkt allerdings bereits: Am 1. September wird die deutsche Wehrmacht Polen überfallen.
Der Weltkrieg änderte noch einmal den Charakter des Festspiele, die 1940 ein Rumpfprogramm als "Musiksommer" bestritten und 1943 in "Salzburger Theater- und Musiksommer" umbenannt wurden. Aufgabe war die geistige Erbauung, Erholung und Aufrüstung eines durch den Krieg schwer getroffenen Volkes, im Publikum fanden sich viele Rüstungsarbeiter und Soldaten auf Heimaturlaub. Nachdem im Juli 1944 der "totale Krieg" ausgerufen wurde, sagte Propagandaminister Goebbels alle Festspiele im Deutschen Reich ab. Als Zugeständnis an Richard Strauss wurde - neben einem Philharmoniker-Konzert - gerade noch die öffentliche Generalprobe seiner neuen Oper "Die Liebe der Danae" zugelassen. Der 80-jährige Komponist bedankt sich danach bei den Wiener Philharmonikern: "Ich hoffe, wir werden einander in einer besseren Welt wiedersehen."
Für die Salzburger Festspiele begann die "bessere Welt" am 12. August 1945. Mit einer Feierstunde wurden die ersten Festspiele der Nachkriegszeit eröffnet. Neben dem zurückgekehrten Festspielpräsidenten Heinrich Puthon hielt der US-General Mark Clark die Festrede. Hugo von Hofmannsthal war mit "Der Tor und der Tod" im Programm vertreten. Sein "Jedermann" kehrte erst 1946 auf den Domplatz zurück.