Nicht nachlassen! Nicht nachlassen! In Thomas Bernhards „Minetti“ ist das ein Mantra eines gescheiterten Künstlers; eines Schauspielers, der 30 Jahre nach einer Karrierekatastrophe alle Hoffnung daran setzt, noch einmal Shakespeares „Lear“ zu spielen. Das Stück schrieb der Autor Bernhard Minetti auf den Leib, die Uraufführung – naturgemäß mit dem Titelgeber in der Hauptrolle – besorgte Claus Peymann anno 1976.

Jetzt hat sich Klaus Maria Brandauer des Texts angenommen. Am Donnerstag las er ihn auf der Burgtheaterbühne in einer Festvorstellung zu seinem 80. Geburtstag und zu seinem 50-Jahr-Jubiläum als Ensemblemitglied. Ein Anlass, wie man so schön sagt. Ein Weltstar tritt vor seine Fans; gleich fünf von ihnen sind deswegen so aufgeregt, dass sie vergessen, ihre Handys auszuschalten. Ein bummvolles Haus, die Bühne samtverhangen, am Bösendorfer der Pianist Arno Waschk, der Brandauers Vortrag reizvoll kontrapunktiert.

Das hat also alle Zutaten zum Weihespiel, immerhin ist Bernhards Text auch eine Meditation über das „tödliche“, das „hinterhältige“ Wesen der Schauspielerei, über die Rolle des Künstlers in der Gesellschaft und seine Verantwortung gegenüber der Kunst sowie eine Auseinandersetzung mit dem Altern. Passt also genau zu Anlass und Brandauer. Der aber unterläuft die Erwartungshaltungen mit einem Vortrag, der sich nicht dem Bernhard’schen Furor etwa gegen den Stumpfsinn der Gesellschaft und die Geistlosigkeit der „gebildeten Welt“ überlässt; der nicht die dröhnenden Pointen, sondern den leisen Witz des Texts auskostet; und der seinem Protagonisten mit schöner Abgeklärtheit begegnet.

Unverhoffte Ausbrüche

Dass der Vortragsriese Brandauer sein Publikum mit exquisiter Sprechmelodie und Rhythmik umschmeichelt, gehört ebenso zu den Geschenken dieses Abends wie die unverhofften Ausbrüche, mit denen er es aufschreckt und amüsiert.

Erwartungsgemäß endet die Lesung mit Standing Ovations – und einem komödiantischen Überraschungsakt ehemaliger Brandauer-Schüler am Reinhardt-Seminar: Angeführt von Florian Lebek und Benjamin Martin, gratulieren Birgit Minichmayr, Stefanie Dvorak, Philipp Hochmair gemeinsam mit Burgtheaterdirektor Martin Ku(s)ej auf der Bühne dem umtriebigen Jubilar, der es in 50 Jahren Burg zwar nur auf ein Dutzend Rollen gebracht hat, aber dem Haus auf seine Art die Treue hält: „Gehen Sie immer wieder ins Burgtheater!“, empfiehlt er dem jubelnden Publikum. Nicht nachlassen, auch hierbei nicht.