Als es am Ende tote Vögel vom Himmel regnet, hat es längst jeder im Publikum begriffen: Die Welt steht auf kein’ Fall mehr lang ... Was Nestroy mit Humor resümiert, ist in der Produktion „Öl!“ im Wiener Volkstheater kein Grund zum Lachen. Upton Sinclairs 1927 erschienener gleichnamiger Roman – 2007 Vorlage für den oscargekrönten Film „There will be blood“ von Paul Thomas Anderson – thematisiert den wirtschaftlichen Aufschwung in den USA Anfang des 20. Jahrhunderts, der auf Öl basierte. Das fossile Zeitalter war eingeleitet und mit ihm das Wettrennen um die größten Ölfelder, der Sozialismus und das Erstarken von Gewerkschaften.

Sinclairs Sozialkritik rund um Ölrausch und Petrokapitalismus wurde in der Bühnenfassung von Sascha Hawemann und Ann-Kathrin Schulz zu einem exzessiven Abgesang an das Anthropozän, den die Theatermacher mit der Klimakatastrophe und dem Krieg in Europa fortschreiben. Wie das geschieht, ist sehr wirr, sehr laut und für zweieinhalb Stunden etwas redundant, wenn auch nicht langweilig.

Dollfuß, Riefenstahl und Ava Gardner

Denn zu sehen ist viel in dieser Szenenfolge, obwohl die Ursprungsgeschichte inhaltlich nicht viel hergibt: Der Vater-Sohn-Konflikt zwischen dem Ölmagnaten Ross (Andreas Beck als Idealbesetzung mit Cowboyhut zur Signation der TV-Serie „Bonanza“) und dem wankelmütigen Bunny (Nestroy-Preisträger Elias Eilinghoff, der auch am Synthesizer mitspielt) ist eingebettet in diverse Szenen, deren Sinn sich kaum erschließt: Was macht Dollfuß da, der über Museen geifert? Auch Leni Riefenstahl und Ava Gardner tauchen kurz auf.

Die parodistische Nummer mit Samouil Stoyanov (zuletzt gefeiert in der Ernst-Jandl-Produktion „humanistää!“) als überforderter Terrorist Carlos beim Wiener OPEC-Anschlag 1975 ist schon schlüssiger. Stoyanov kann sein komödiantisches Talent voll ausspielen – ob als Dollfuß oder Carlos, sogar als Walfisch, Ölfeld oder Kohlenstoff- und Wasserstoff-Teilchen. Beeindruckend verkörpert auch Lavinia Nowak die Aktivistin Paula, anfangs Tochter einer verarmten Familie, die Ross ihren Grund verkauft. Zum Schluss macht sie mit einer langen Ballade noch einmal klar, was nicht nur die „Letzte Generation“ längst begriffen hat: Die Erde brennt.

Das großartige Ensemble macht in der Inszenierung von Sascha Hawemann die überbordende Flut an Requisiten (Bohrtürme, Pipelines, Spitalbett), Bildern (Videowand für Dokumentaraufnahmen, Agieren vor der Live-Kamera) und textlichem Pathos einigermaßen wett. Die acht Schauspieler und Schauspielerinnen deklamieren, performen, liefern Slapstick und choreografierte Einlagen, spielen unter der musikalischen Leitung von Xell im Orchestergraben diverse Instrumente und schaffen so den rockigen Soundtrack zum Weltuntergangsspektakel, das mit einem Heavy-Metal-Klanggewitter endet. Als Abspann läuft schließlich noch eine Liste von Namen der größten Ölfirmen und ihrer Chefs über die Leinwand. Und ölverschmierte Vogelattrappen fallen vom Schnürboden.