Vergessen Sie „ER“ und „Scrubs“. Die beste Krankenhaus-Serie ist „Riget“ – „Das Reich“ über ein Kopenhagener Spital. Lars von Trier und Niels Vørsel haben in den Neunzigerjahren mit schwarzem Humor und Körperflüssigkeiten aller Arten die Traumata des Krankenhausbetriebs mit einer Geistergeschichte gekreuzt. Da gibt es Kunstfehler, arrogante Götter in Weiß und Ärzte, die krumme Nebengeschäfte betreiben, da gibt es Intrigen, krude Einsparungsmaßnahmen und Seelen von Verstorbenen, die nicht zur Ruhe kommen können, weil sie Opfer von irren Medizinern geworden sind.

Die Tragikomödie stellt die Konventionen auf den Kopf, der Tod hat oft etwas Komisches, während eine Geburt das reinste Grauen darstellt. Weil die Serienmacher ihr Hybrid aus Satire, Soap und Horror mit einem vergnüglich sarkastischen Ton unterlegt haben, ist „Riget“ bis heute praktisch überhaupt nicht gealtert.

Die Fassung von Regisseur Jan-Christoph Gockel und Dramaturgin Karla Mäder klebt förmlich an der großartigen Vorlage, stellt amüsanterweise sogar den Vorspann nach und lässt die Titelmelodie zum Leit- und Leidmotiv werden. Trotz der notwendigen Reduktion von fast zehn auf vier Stunden (inklusive Pause) lässt man kaum einen Handlungsstrang aus. Der vom Hass auf Dänemark und perfider Egozentrik angetriebene Oberarzt Helmer hat Probleme mit den Folgen einer von ihm verpfuschten Operation, der Chefarzt Prof. Moesgaard ist ein Waschlappen, der vor den Problemen mit der Verwaltung und dem Ministerium kapituliert, Dr. Bondo lässt sich eine Leber transplantieren, weil er unbedingt eines seltenen Sarkoms habhaft werden möchte. Und die Patientin Sigrid Drusse, eine Spiritistin, ist den alten Verbrechen auf der Spur und nimmt Kontakt mit der Geisterwelt auf.

Die zahlreichen Szenenwechsel werden auch mithilfe von Videos bewältigt, die Fülle an Handlung ist für Nicht-Kenner der Serie fordernd. Gockel verlässt sich erst im zweiten Teil auf die Kraft des Theaters und gießt die Geschehnisse in eindrucksvolle theatralische Szenen und Bilder. Von Triers unausgesprochenes Motto „Nur keine Sentimentalitäten“ wird zum Glück fast nie infrage gestellt. Der Kampf zwischen Wissenschaft und Geisterglaube, der wahnwitzige Verwaltungsapparat, die Animositäten zwischen Kollegen, die Verdrängung des Bösen – all das ist nicht Material für säuerlichen Moralismus, sondern die stinknormale Realität, auf dem der bizarre Witz aufsetzt.

Die Nähe zur Vorlage fordert auch zum Vergleich der schauspielerischen Performances heraus, was gleichermaßen unfair wie ungünstig ist. Aus dem im Schnitt guten 17-köpfigen Ensemble ragen wenige heraus – die Königsidee Gockels war, den „Griechischen Chor“ der Abwäscher aus dem Original auch mit einem Schauspieler mit Behinderung zu besetzen. Florian Finsterbusch spielt aber auch den Gevatter Tod und den Gesundheitsminister. Die taube und blinde Tanja Hameter fasziniert als Medium. Dass die unglücklichen Geister und traurigen Monster des Kopenhagener Spitals als Puppen auf die Bühne kommen, bringt dem Abend weitere starke Momente ein. Die Outsider und alle, die nicht der Norm entsprechen, sind die Helden dieses Reichs.