Bei Wien Modern wird Ihr Zyklus "coronAtion I–VI" erstmals integral aufgeführt. Was hat es mit dieser Werkreihe auf sich?
Der Zyklus ist während der Lockdownzeit entstanden auf Initiative von verschiedenen Ensembles und Institutionen hin, zu einer Zeit, wo es darum ging, aktiv zu bleiben und nicht völlig zu verschwinden und vergessen zu werden. Ich aber wäre froh gewesen, dass nach der anstrengenden Proben- und Aufführungszeit von "Orlando" und fünf Jahren Durchkomponierens endlich einmal Ruhe gewesen wäre. 'coronAtion II' entstand aus einer Initiative von Daniel Barenboim, 'coronAtion V' vom Gürzenich-Orchester Köln und so weiter.
Der Lockdown war ein besonders harter Einschnitt für Sie?
Bei mir ging es von 180 auf Null. 2020 wäre mein dichtestes und spannendstes Jahr gewesen, was internationale Aufführungen und Residencies betrifft, dann plötzlich war alles abgesagt. Ich war in der Steiermark und habe dort auf meine Mutter geschaut. Habe in dem wunderschönen Garten, den mein Großvater gepflanzt hat, gegärtnert, war viel mit meinem Hund spazieren und habe wieder mit Naturaufnahmen angefangen, was ich als Jugendliche sehr oft gemacht habe. Man hört in einigen 'coronAtions' auf den Samples Naturgeräusche aus dem Garten. Frösche, von denen ich sehr viele Aufnahmen habe aus vor 25 Jahren, gibt es ja leider keine mehr, dafür habe ich unglaublich viele Vögel aufgenommen, die ich schon lange nicht mehr gehört habe. Für andere Stücke habe ich Freunde rund um die Welt gebeten, 'no!' zu sagen, als Reaktion auf die Situation.
Das war Ihr Umgang mit dem Verstummen.
Genau. Merkwürdigerweise sind die Stücke sehr kurz geworden, bis auf eines, das ist dafür extrem lang. So hat sich das für mich angefühlt: Die Stücke loteten die Extreme aus. Alle Stücke dieses Zyklus sind das Protokoll und Überdenken meines eigenen Komponierens. 'coronAtion IV: whoever brought me here'. Eine installative, immersive Performance mit Lichtveränderungen, die an Monets 'Nymphéas' erinnern sollten und in der sich das Publikum wie in einer Ausstellung frei bewegen kann. Der Alltag war immer sehr ähnlich, bis man die Vorstellung von Zeit verloren hatte. Ich glaube ja, wir haben alle noch nicht zu unserer Vorstellung von Zeit zurückgefunden.