Die hohen Erwartungen an des Ballettdirektors Version eines der klassischsten Ballette schlechthin erfüllten sich nicht. Trotz hohen Aufwands mit Kostümen, Video, Licht und großem Ensemble gelang Martin Schläpfer weder eine interessante Neudeutung von "Dornröschen", noch eine stimmige Inszenierung der Vorlage von Marius Petipa und Pjotr I. Tschaikowsky. Seine Fassung ist ein eklektizistisches Amalgam verschiedener Stile und Komponenten, denen die Verbindung zueinander fehlt.
Auf dramaturgischer Ebene wollte er das Märchen zwar erzählen, aber um Fragen nach Figuren und deren Motivation erweitern. Dies geriet zu psychologisierenden Kommentaren um Familienkonstellationen oder philosophischen Einsprengseln über Gut und Böse, Natur und Kultur. Auch der Einschub einer Szene mit der neu geschaffenen "Waldfrau" zur (vom Band kommenden) Komposition von Giacinto Scelsi blieb ein willkürliches Anhängsel. Obwohl choreografisch legitim, war dies weder inhaltlich erhellend noch tänzerisch interessant genug.
Recht beliebig wirkte die gesamte Choreografie. Schläpfer beließ originale Szenen wie das "Rosen-Adagio" oder den "Grand Pas de deux" und intendierte, diese klassischen Elemente zeitgenössisch zu konterkarieren. Der formulierte Anspruch, damit eine Debatte um die Weiterentwicklung zeitgenössischen Balletts zu initiieren, erfüllte sich jedoch nicht. Dazu ist seine Tanzsprache insgesamt von zu wenig Belang, auch wenn ihm immer wieder interessante Posen gelingen. Es fehlt aber die Gesamtlinie.
Inkonsequent im Sinne einer Modernisierung des Stückes war auch das Beibehalten der endlosen Divertissements im dritten Akt. Natürlich ist es die Gelegenheit, das Können der TänzerInnen zu präsentieren, doch viel zu lang (sehr gut Hyo-Jung Kang, Ioanna Avraam, Davide Dato, Olga Esina). Patrick Lange dirigierte das Staatsopern-Orchester teilweise übermotiviert. In den Premierenjubel mischten sich auch Buhrufe für Schläpfer.
Barbara Freitag