Jo Strømgren bezeichnet sich selbst als Romantiker. Der norwegische Choreograf mit weitem Spektrum in klassischem und zeitgenössischem Tanz glaubt an den Wert der Kunst, und das ist Thema seiner Tanz-Erzählung „Zum Sterben zu schön“, die auf der Studiobühne der Oper uraufgeführt wurde. Der Titel bezieht sich auf den „Geist der Romantik“, der sich, wie die von Strømgren verfassen und gesprochenen Zwischentexte erklären, auch in unserer gegenwartsfixierten Zeit dem Vergessen widersetzt.
Im Jahr 2048 vermisst eine Gruppe von Personen in Schutzkleidung (Kostüme Bregje van Balen) einen scheinbar verlassenen Raum in einem alten Gebäude. Bücherstöße unter dem desolaten Flügel, ein Kanonenofen, zwei Schränke und ein Sessel sind alles, was hier übrig ist, doch staunend erkennen die Menschen, dass im Raum Musik lebt und ein Mann in altertümlicher Kleidung, besessen von künstlerischer Arbeit, sein Wesen treibt. Auf Schubert (Stephanie Carpio), folgen Chopin (Fabio Agnello), Weber (Philipp Imbach), Schumann (Isabel Edwards) und Smetana (Giulio Panzi). Wenn schon im infektiösen 19. Jahrhundert kein hohes Alter zu erwarten ist, will der Künstler doch auf ein Nachleben bauen.
Wie es damit im Jahr 2048 beschaffen sein könnte, macht eine Konferenz deutlich, deren Thema der Vergleich der Romantik mit der Gegenwart ist. Der akademische Ansatz des multikulturellen Forschungsteams endet im Chaos eines babylonischen Stimmengewirrs. Die Todesarten des 19. Jahrhunderts – Tuberkulose, Syphilis, Wahnsinn – sind überwunden, nicht aber das Rätsel der Inspiration und des kreativen Prozesses, der sich jeder moralischen Wertung entzieht. Eine Frau im weißen Hemd (Mireia Gonzalez Fernandez) lockt den Künstler und narrt die Zaungäste.
Smetanas Pas de deux mit der polyvalenten weiß gekleideten Muse ist Höhepunkt des Stücks und gleichzeitig die einzige Szene in der Sprache des klassischen Balletts. Es dominiert eine kurzweilige Mischung aus Erzählung, Contemporary Dance und ironischen Querverweisen.
Beate Frakele