An einer gelungenen Produktion muss man nicht wirklich was verändern. Michael Sturmingers Inszenierung des "Jedermann" mit Lars Eidinger in der Titelrolle und Verena Altenberger als seine Buhlschaft wurde im Vorjahr rundum gefeiert. So hatte man Hofmannsthals Stück schließlich noch nie erlebt: den "Jedermann" als sehr heutige Identifikationsfigur, als bourgeoisen Trickser, der es nicht fassen kann, dass man sich aus dem Schlamassel des Todes nicht doch herauswinden kann. Eine Buhlschaft, die dem Geliebten als selbstbewusst Liebende gleichberechtigt begegnet und sich nur widerstrebend der Einsicht fügt, dass sie ihn letztlich dem Tod überlassen muss.
So war das am Montag auf dem Salzburger Domplatz nun erneut zu erleben. Bei der natürlich unter Absolvierung des obligaten Promi-Auftriebs erfolgten Wiederaufnahme des Stücks, die der eigentlichen Eröffnung der Salzburger Festspiele am 26. Juli um mehr als eine Woche vorausging. Nach der zweistündigen Premiere gab es Standing Ovations von der vollbesetzten Publikumstribüne. Die Grundzüge der Inszenierung sind die gleichen geblieben. Vielleicht war der Erzählduktus im Vorjahr noch eine Spur weicher, melancholischer; vielleicht hat Eidinger die Figur des "Jedermann" heuer von Beginn an noch eine Spur zweiflerischer, Altenberger ihre Buhlschaft noch charismatischer angelegt, und ziemlich sicher ist das wortlose Ringen um Leben und Liebe, das nach der Ankündigung des Todes in den Abschied des Paars mündet, noch herzzerreißender als im Vorjahr.
Definitiv jedenfalls lässt Sturminger, der die Inszenierung in einem Text des Programmhefts als "ewige Dombaustelle" bezeichnet, in seiner für das heurige Jahr weiterentwickelten Fassung den durchwegs weiblich gedeuteten Figuren um seinen Protagonisten herum mehr Raum und Kontur: dem majestätischen Tod von Edith Clever, der zärtlichen Mutter von Angela Winkler. Mavie Hörbiger holt sich in ihrer Doppelrolle als grantiger Gott und drolliger Teufel einen großen Extraapplaus ab, detto Mirco Kreibich, der von Jedermann erst als Schuldknecht in überdrehter Wrestling-Manier durch einen Boxring geprügelt wird und ihn später als Mammon mit "Joker"-Fratze höhnisch demoliert.
In diesen Doppelungen zeigt sich die Grundhaltung von Sturmingers feinsinniger Inszenierung in progress: Eindeutigkeiten gibt es da keine, alles ist fluide, Charakter, Geschlecht, Gefühl, Glaube. Nur der Tod ist unerbittlich. Aber auch tröstlich: Am Ende schmiegt sich Eidiner zu den Klängen von Bachs "Komm, oh Tod" in Edith Clevers Schoß; die Pietá ist damit auch das Bild einer Vollendung.
Jedermann. Von Hugo von Hofmannsthal. Wiederaufnahme bei den Salzburger Festspielen. Inszenierung: Michael Sturminger. Mit Lars Eidinger, Verena Altenberger, Edith Clever, Angela Winkler, Mavie Hörbiger. u.a. Termine bis 26. August.
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Ute Baumhackl