Linda ist eine Kämpferin, die dank ihres Riechers für das, was Frauen wirklich wollen, die Karriereleiter hochgekommen ist. Die Marken-Entwicklerin eines Kosmetikkonzerns mit einer gewissen Rücksichtslosigkeit gegenüber sich selbst, mit Ausdauer, Opferbereitschaft und Anpassungsfähigkeit. Sie zählt sie zu den Gewinnern des kapitalistischen Spiels: ein Büro mit Blick über die Stadt, ein schmuckes Heim, bewohnt mit Mann und zwei Töchtern. Doch die Verwerfungen kommen unweigerlich schnell zum Vorschein. Der Gatte ist von erstaunlicher Mittelmäßigkeit, ein Lehrer, daheim geistig abwesend, weil er vom Rock ‘n’ Roll träumt und mit seiner Garagenband alte Hadern der Rolling Stones nachspielt. Ein Tropf, der im Lauf der Handlung seinen einzigen Vorzug verliert, nämlich jenen, ein verlässlicher, unauffälliger Partner zu sein.
Die eine Tochter träumt von einer Karriere als Schauspielerin, die andere, die ältere Stiefschwester, ist längst desillusioniert. Seit sie an ihrer Schule die Demütigung einer totalen Entblößung erlitten hat, ist sie in selbstverletzendes Verhalten und in einen Jumpsuit im Stinktier-Stil geflüchtet. Den die im Dauerclinch mit der Mutter liegende Frau gar nicht mehr auszieht. Und in der Arbeit fahren die neuen, jungen Lindas die Ellenbogen aus: Amy, die opportunistische Kollegin mit den zeitgemäßeren Ideen und einem strikten Karriere- und Lebensplan.
Beatrix Doderer macht die Erschütterung Lindas greifbar. Zwischen Hysterie, Kampfeslust, Hilflosigkeit, Resignation, nackter Angst und Einsicht führt Doderer zweieinhalb Stunden die Leiden der Frau am Rande des Nervenzusammenbruchs vor: Der ständige Zwang zur Selbstbehauptung wird immer mühsamer für die Frau um die 50. Die Konfrontationen mit der älteren Tochter Alice sind die ernsteren, tiefschürfenderen Passagen eines nicht unheiteren, intelligenten und leichten Stücks. Brillant sarkastisch der Schluss, der Lindas feministisches Credo als Worthülse und Schimäre offenbart.