Die Voraussetzungen des 2019 uraufgeführten Stücks scheinen zunächst Yasmina Rezas viel gespielter "KUNST"-Komödie zu ähneln. Auch "Ode" stellt Grundfragen des Kunstschaffens und der Kunstrezeption. Zu Beginn sorgt die Enthüllung des mit Spannung erwarteten neuen Werks der Akademierektorin Anne Fratzer (Sabine Haupt) für Aufsehen. Was sich hinter dem blauen Lamellenvorhang verbirgt (Sigi Colpe setzt bei Bühne und Kostüm vorwiegend auf die Farbe Dunkelblau), ist nämlich "seltsam" und "monumental", vor allem aber "nada". Nichts nämlich. Leere Luft.

Thomas Melle, dessen autobiografischer Roman "Die Welt im Rücken" über eine bipolare Störung 2018 in der Dramatisierung von Jan Bosse zu einem grandiosen Solo für Joachim Meyerhoff wurde, bringt aber zwei andere Themenkomplexe ein, die den fast zweistündigen Abend zunehmend verkomplizieren und zu einer verkopften und verzopften Angelegenheit werden lassen. Fratzer widmet ihre soziale Plastik aus familiären Gründen den Nationalsozialisten. Ihr Großvater sei Alkoholiker und Gewalttäter gewesen, ihre Mutter und damit auch sie Produkt einer Vergewaltigung. Wäre er nicht von den Nazis ermordet worden, hätten Oma und Mutter wohl nicht lange überlebt, so die Künstlerin über ihr "unauflösliches Dilemma".

Scherz, Provokation oder Tabubruch? Das diskutieren nicht nur die Akademiekollegen und das normale Publikum (Caroline Baas, Arthur Klemt und Tilman Tuppy), das irritiert auch die "Wehr" (Katharina Pichler spielt ihre Hauptrepräsentatin). Die ist offenbar eine rechtsgerichtete Bewegung, die das "gesunde Volksempfinden" repräsentiert und auch die Kunst in ihre Schranken weisen möchte. Die Kunstfreiheit wird aber auch von jenen infrage gestellt, die im Namen der Political Correctness besondere Bedingungen für die Repräsentanz von Gruppen aufstellen. Die Kunst gerät also von beiden Seiten unter Druck.

Der 1978 in Ungarn geborene und in Budapest und Berlin lebende Regisseur András Dömötör, der nach Arbeiten u.a. am Schauspielhaus Graz nun zum ersten Mal in Wien inszeniert, scheint durch seine Erfahrungen im repressiven Klima Viktor Orbans prädestiniert für die Beschäftigung mit solchen Themen zu sein. Indes: Die "Ode" wird ein wenig öde und immer mehr zur Groteske.

Mit dem Auftreten von Orlando (Markus Meyer) kippt der Abend in eine sehr theoretische Rückschau auf das, was schiefgelaufen ist bei Entstehung und Diskussion der nun offenbar verbotenen "Ode". Im Stück enthaltene konkrete Anspielungen auf Andreas Gabalier und sein vermeintliches Hakenkreuz-Cover wurden stark gekürzt, nun geht es ihm vor allem um die Darstellung der Ausgangssituation von Fratzers Kunstwerk: Das Schicksal ihrer Familie in den 1920er-Jahren, eine "heruntergekommene Arbeiterwohnung" und den besoffenen und gewalttätigen Haustyrannen. "Entschuldigung. Was machen Sie hier?", fragt die Wehr die Künstler, die mit ganzem Körpereinsatz bei der Sache sind. "Realität", antwortet der splitterfasernackte Orlando. "Wir machen hier Realität." - "Unverständlich."

Die Kunst wird schließlich unter den Teppich gekehrt. Dieser Teppich ist eine großformatige Jagddarstellung, biedermeierlich und museal. Fratzer, die sich nun in die Figur "Präzisa" verwandelt hat, verkriecht sich darunter und spricht ihren Schlussmonolog. "Wir müssen das Leben als Kunst ansehen; die Kunst aber nie, nie, nie als das Leben." Alles klar?

Dass das Schlussplädoyer für die Freiheit der Kunst eigentlich vor den Waffen eines Erschießungskommandos gehalten wird, schien Dömötör wohl nicht zuletzt aufgrund der aktuellen Situation in Europa unangebracht. Doch "seit jeher haben sich Kunst und Macht gegenseitig infiziert", heißt es. Kritischen Künstlern geht es in allen Regimen an den Kragen. Und umgekehrt stelle sich die Frage, "warum wollen alle Diktatoren denn immer erst mal Künstler sein?" - "Putin ist auch ein super Maler", wird in Wien ergänzt. Maler vielleicht nicht, aber Schauspieler. Die Kunst des Bad Playing scheint er jedenfalls zu beherrschen.