Der Veranstalter am Telefon klingt fast flehentlich. Man möge, bittet er, doch häufiger auf das komplexe Regelwerk hinweisen, dem Veranstaltungsbesuche derzeit unterliegen. Zur Erinnerung, wie berichtet: Bei Veranstaltungen mit maximal 500 Besuchern gilt die 2G-Regel – Zutritt gibt es nur geimpft oder genesen. Bei bis zu 1000 Besuchern heißt es bereits 2G+ – also geimpft oder genesen und PCR-getestet. Und bei Events mit 1000 bis 2000 Gästen gilt Booster+: Dann ist die Booster-Impfung inklusive negativen PCR-Tests verpflichtend. Und bei all dem ist um 22 Uhr Schluss. So weit, so eindeutig. Und doch, sagt der Veranstalter, käme es immer wieder vor, dass aufgebrachte Leute mit gültigem Ticket nicht eingelassen werden könnten, weil ihnen Test oder Booster fehlen.

Ist das ein verbreitetes Problem? "Die meist äußerst kurzfristige Bekanntgabe neuer rechtlich bindender Verordnungen ist eine große Herausforderung", sowohl organisatorisch als auch in der Kommunikation mit dem Publikum, stellt Opern-Chefin Nora Schmid fest. Man habe die Gesamtkapazität des Hauses bereits auf "unter 1000 Personen gesenkt, um die noch strengere Vorgabe der Booster+-Regel zu vermeiden." Trotzdem müsse man hin und wieder Opernliebhaber abweisen, wenn sie "die notwendigen Nachweise leider nicht vorzeigen können". Der Grund: "Trotz intensiver Bemühungen und Bespielung aller uns zur Verfügung stehenden Kanäle – Zeitungsbeiträge, Website, Newsletter, Social Media, persönliche Erinnerungsmailings und direkte Kontaktaufnahme durch das Ticketzentrum" erreichten die geltenden Regelungen nicht jede und jeden.

Opern-Intendantin Nora Schmid: Kapazität "auf unter 1000 Personen gesenkt, um die noch strengere Vorgabe der Booster+-Regel zu vermeiden".
Opern-Intendantin Nora Schmid: Kapazität "auf unter 1000 Personen gesenkt, um die noch strengere Vorgabe der Booster+-Regel zu vermeiden". © Oper Graz/Werner Kmetitsch

"Erhöhten Stressfaktor für Mitarbeiter und Kunden" ortet Wolfgang Brandner, Sprecher der Diesel-Kinos – obwohl sich die Kinogäste üblicherweise "sehr vorbildlich" verhielten. Erwin Hauser, in der Grazer List-Halle demnächst Veranstalter eines Kabarett-Tripels mit Monika Gruber (2. bis 4. Februar) für bis zu 1000 Besucherinnen und Besucher pro Abend, hat beobachtet, dass es "für die Gäste extrem schwierig ist, sich zu informieren, was wann bei welcher Veranstaltungsgröße zu welchem Zeitpunkt gilt – ist es jetzt 2G, 2G+ oder Booster+". Früher habe es als Kulturkonsument genügt, "eine Karte zu besitzen, Veranstaltungsort und Beginnzeit zu kennen – heute sind eine Vielzahl von weiteren Informationen und Unterlagen notwendig und dies verwirrt ungemein."

Leichter tut sich da möglicherweise ein Veranstalter mit hohem Stammgastanteil: Die Regeln, berichtet Otmar Klammer vom Grazer Jazztempel Stockwerk, seien längst Routine "und nicht mehr mühsam, nicht zuletzt deshalb, weil auch unser diszipliniertes Publikum schon routiniert und auch auf allfällig kurzfristige Änderungen gut eingestellt ist. Jeder Handgriff sitzt, und viele kennen längst ihren zugewiesenen Platz." Die Schutzmaßnahmen seien zwar "gelernt", stellen andererseits Urs Harnik und Stefan Moser von der Komödie Graz fest. Aber: "Der Informationsbedarf der BesucherInnen im Vorfeld ist stark gestiegen." Außerdem seien Personalaufwand für Publikumsbetreuung und Zutrittskontrollen "extrem hoch, wir haben allein dafür zwei zusätzliche KollegInnen im Einsatz". Interessanterweise würden aber die Strenge beim Einlass und bei der Nachweis-Kontrolle "sehr positiv beurteilt".

"Der Informationsbedarf der BesucherInnen im Vorfeld ist stark gestiegen", berichten Urs Harnik und Stefan Moser von der Komödie Graz
"Der Informationsbedarf der BesucherInnen im Vorfeld ist stark gestiegen", berichten Urs Harnik und Stefan Moser von der Komödie Graz © Komödie Graz

Einbußen spüren manche Veranstalter dennoch: In der Komödie Graz gibt es für die aktuelle Komödie "Wenn schon, denn schon" zwar kaum noch Karten, insgesamt aber liegen die Zahlen "derzeit rund 25–30 Prozent unter einem Normaljahr". Ähnliches ist die Lage in der List-Halle: "Aus der Vergangenheit wissen wir, dass z. B. in einer Grippesaison ca. 5–8 Prozent des Publikums ausfallen", erzählt Hauser, "aktuell sind wir bei 25 Prozent der Kartenbesitzerinnen." Davon abgesehen annullieren manche Veranstalter ihre aktuellen Termine: "Viele sagen derzeit aufgrund der erhöhten Kosten etwa beim Einlasspersonal und der geringeren Verkaufszahlen ihre Veranstaltungen ab oder verschieben bereits wieder nach 2023", sagt Hauser.

"Allein die Sperrstunde um 22 Uhr schränkt uns massiv ein", stellt auch Brandner fest. Man könne den Hauptabend nicht ausreizen, "was natürlich bitter ist". Und weil Ungeimpfte keinen Zutritt haben, aber Kino "ein Gesellschaftsevent ist", mutmaßt der Kino-Sprecher, "werden Partner oder Freunde von Ungeimpften dann meistens ebenfalls auf den Kinobesuch verzichten". Was helfen würde: "Parameter für mehr Planbarkeit", glaubt Brandner. Hauser plädiert für ein vereinheitlichtes Reglement. "Die größte Schwierigkeit ist derzeit die Kurzfristigkeit der Verordnungen und die Vielzahl an Sonderregelungen und Ausnahmen", sagt Schmid: "Dadurch ergibt sich leider oft ein nicht ganz aktueller Wissensstand bei unseren BesucherInnen, die sich allerdings informiert wähnen und dann erst bei der Einlasskontrolle das Gegenteil feststellen müssen."

Die Opern-Intendantin wünscht sich "mehr Vorlaufzeit bei der Umsetzung neuer Regelungen", aber auch, dass die zuständigen Regierungsstellen und Ämter die Inhalte "klarer und koordinierter an die Bevölkerung kommunizieren". Für Harnik und Moser ist indes klar: "Die Sperrstunde zumindest auf 23 Uhr zu verlegen wäre sehr wichtig. Derzeit müssen wir die Pause extrem kürzen, um vor 22 Uhr fertig zu sein – und das macht wenig Sinn."

Auch Klammer wünscht sich eine "differenziertere" Sperrstundenregelung: "Wir zum Beispiel sind ja kein Ort, an dem man sich zu fortgeschrittener Stunde ohne Maske laut lallend zur Verbrüderung in den Armen liegt." Den aktuellen Restriktionen kann er immerhin noch etwas Positives abgewinnen: "Die in den letzten eineinhalb Jahren entstandene vertiefte Publikum-Stockwerk-Bindung. Das Stammpublikum ist größer und loyaler geworden. Und das allgemeine Publikum ist dankbarer geworden. Kein unnützes Kapital also für die Zeit danach."