Seit Montag verfährt die Wiener Staatsoper angesichts der politischen Vorgaben bei den Eintrittsregeln nach dem Prinzip Booster-Impfung plus PCR. Auch wenn eine freiwillige Selbstbeschränkung auf unter 1.001 Personen nicht einfach zu rechtfertigen sei, gesteht Direktor Bogdan Rošcic, dass man sich die erste Bilanz der neuen Regelungen nicht schönreden könne. Zum Teil hätten sich echte Szenen vor der Vorstellung abgespielt.
Die Staatsoper ist das einzige Haus in Österreich, dass sich angesichts der politischen Vorgaben entschieden hat, auf bis zu 2.000 ZuschauerInnen und damit die Vorgabe Booster-Impfung plus aktuellem PCR-Test zu setzen. Mittlerweile ist diese Regelung seit drei Tagen in Kraft. Wie ist die erste Zwischenbilanz?
Bogdan Rošcic: Wir setzen auf gar nichts, das ist ja keine freie Entscheidung. Wir haben in den Jänner hinein täglich Vorstellungen mit weit über 1.000 bereits vorverkauften Karten - es steht uns nicht zu, freihändig Publikum auszuladen. Und es wäre irgendwie absurd, Hunderte von Besuchern wegzuschicken, damit der Rest dann weniger strenge Zutrittsbedingungen hat. Die erste Bilanz kann man sich trotzdem nicht schönreden.
Wie werden die neuen Regeln von Publikumsseite angenommen? Wie hoch ist die Rate der Storni respektive der Neubuchungen?
Die Staatsoper hat knapp 1.700 Sitze, in normalen Zeiten käme natürlich der Stehplatz dazu. Die letzte Vorstellung vor den neuesten Verschärfungen war ein "Parsifal" am 26. Dezember. Der Saal war zu 97 Prozent voll. Die "Tosca" am 27. Dezember war ähnlich gebucht, aber es wurden wegen der neuen Restriktionen circa 500 Karten storniert. Dazu kommen noch knapp 200 Personen, die wir am Abend abweisen mussten, hauptsächlich Touristen, die in ihren Heimatländern noch gar keine Boosterimpfungen bekommen können. Wir müssen auch Familien abweisen, weil ein Kind ab 12 dabei ist, dass noch keine dritte Impfung hat - weil es diese noch gar nicht haben darf... Sie können sich denken, was sich da für Szenen abgespielt haben. Wir müssen sehen, ob sich das einpendelt oder so bleibt.
Ist die Kurzfristigkeit in der Ankündigung von politischer Seite in Ihren Augen für einen Kulturbetrieb in der heimischen Dimension irgendwie nachvollziehbar?
Sogar darüber kann man wahrscheinlich diskutieren, wenn man bedenkt, dass wir offenbar gerade an dem Punkt stehen, wo Omikron auch in Österreich endgültig loslegt. Aber die Frage ist vielmehr, wie man diese Kurzfristigkeit überhaupt umsetzen soll. Die ab 1. Jänner geltende Verordnung ist noch nicht offiziell bekannt. Das ist auch nicht förderlich für das Vertrauen des Publikums, die derzeitigen Verkäufe für Vorstellungen im Jänner sind dementsprechend. Wir gehen davon aus, dass die Zutrittsbedingungen kurzfristig gleich bleiben werden.
Werden hier die Kulturbetriebe von der Politik am Gängelband vorgeführt, weil man sich scheut, sofort eine Schließung zu verordnen? Wird hier Verantwortung abgewälzt?
Nein, es ist ja positiv, dass die Theater offen haben und das haben wir auch gefordert. Aber das Publikum muss eben auch mitspielen.
Ist gegebenenfalls - sollte sich die Politik für eine Fortführung der aktuellen Regelung entscheiden - ein Weiterbetrieb der Staatsoper mit 2.000 Gästen denkbar oder entscheiden auch Sie sich dann eher für die freiwillige Reduktion der Sitzplatzkapazitäten?
Wenn man sich umsieht, wie es derzeit anderen, kleineren Häusern in Wien geht, weiß ich gar nicht, ob das etwas bringt. Aber die Staatsoper ist hier durch die Größe des Saales jedenfalls in einer Zwickmühle. Eine Selbstbeschränkung ist nicht einfach zu rechtfertigen. Andererseits muss man sich anschauen, wie sich die Nachfrage unter den derzeitigen Bedingungen entwickelt. Wenn man wegen "Booster plus PCR" nicht einmal mehr 1.000 Gäste schafft, muss man das neu bewerten. Wir werden die nächsten Tage abwarten und mit dem Eigentümer eine Entscheidung treffen.
In Belgien waren die Theater mit einer Klage gegen ihre Schließung erfolgreich, auch in Österreich gibt es mit der Künstlerinitiative "Florestan" ähnliche Bestrebungen gegen die Behandlung der Kultur in der Pandemie. Wäre es für Sie als äußerster Schritt ebenfalls denkbar, rechtliche Schritte einzuleiten?
Aber wir sind ja nicht geschlossen. Und selbst wenn man es für eine Möglichkeit hielte, dass ein Staatstheater seinen Eigentümer klagt, ist der rechtliche Weg vollkommen überflüssig. Hier handelt es sich letztlich um politische Fragen.
Martin Fichter-Wöß/APA