André Heller wusste, dass sich die wahren Abenteuer im Kopf abspielen. Dass Träume auch eine grandiose visuelle Show sein können, davon profitiert letztlich Kurt Weills „Lady in the Dark“. Die Möglichkeit, die Träume der Hauptfigur Eliza Elliott in aller Buntheit und Skurrilität auf die Bühne zu bringen, machten den Stoff für den Broadway tauglich. 1941 hatte das Musical seine New Yorker Premiere. Eliza, Herausgeberin eines Modemagazins, hat darin mit Panikattacken und Erschöpfung zu kämpfen. Sie geht zum Psychoanalytiker Brooks, mit dessen Hilfe die Karrierefrau (wie man früher gesagt hat) allmählich die Kontrolle über ihr Leben wiedererlangt.
Die Volksoper vertraut auf die Stärken des schon von Grund auf feministischen Stücks und Regisseur Matthias Davids zaubert bei Elizas Träumen nicht nur bizarre Bildwelten in Hans Kudlichs Ausstattung auf die Bühne, er zeigt die Protagonistin als emanzipierte Frau, deren Glück keineswegs nur davon abhängt, den richtigen Mann gefunden zu haben. Julia Koci verkörpert diese Heldin gekonnt.
Filmisch wirkt das Stück bisweilen, dennoch bleibt man dem Theater treu, setzt auf viel farbige Aktion im „Glamour-Traum“, im „Hochzeitstraum“ und – am besten – im „Zirkustraum“. Und man hat auch abseits von Koci sehr gute Darsteller: Jakob Semotan darf in diversen Rollen etwa mit einer artikulatorischen Bravournummer unterhalten, Christian Graf ist der kratzbürstige Mitarbeiter, der heimlich in Eliza verliebt ist, Ben Connor gibt dem etwas tumben Hollywood-Beau, während Hausherr Robert Meyer in die Rolle des gelassenen Psychiaters schlüpft. Marie-Christine Nishimwe, Ursula Pfitzner, Axel Herrig und viele andere sorgen für Broadway-Atmosphäre im Haus.
Die Musik ist ein Spezialfall, der Schöpfer der Musik zur „Dreigroschenoper“ hat in seiner amerikanischen Zeit seinen Stil zwar den Gepflogenheiten angepasst, aber sich nicht verbiegen lassen. Kurt Weill setzt nicht auf Schlager und Ohrwürmer, sondern auf eine spannungsreiche und elaborierte Musikdramaturgie, die für das avanciertere Broadwaymusical wohl zum Vorbild geworden ist. Beim Weill-Experten James Holmes am Pult des Volksopernorchesters ist diese kostbare Musik in kundigen Händen. Der Vertriebene Kurt Weill, er strahlt wieder ein Stück heller.