Der mehrstöckige, elfenbeinfarbene Palast der Prinzessin ist in rotes Licht getaucht und scheint symbolhaft zu brennen, als Turandot vor Liebe erglüht. Immer wieder symbolisieren verschiedene Farben die Gemütszustände der Protagonisten, wenn etwa bei Liùs Abschiedsarie die Bühne in dunkles Blau mit heftigem Regen und Blitzen getaucht wird. Auch sonst dient der Palast als Projektionsfläche mit herumschwirrenden gelben Kugeln, chinesischen Schriftzeichen, goldgelben Drachen oder einem Puzzle aus knallbunten Farben. Bühnenbildner Paul Tate dePoo hat bei Giacomo Puccinis „Turandot“, die jetzt, pandemiebedingt um ein Jahr verschoben, Premiere feierte, eine imposante, überwältigende bildmächtige Szenerie geschaffen, eingebettet von der Naturbühne des Steinbruchs von St. Margarethen im Burgenland.
Und diese beeindruckende Kulisse auf der riesigen Cinemascope - Bühne von 7.000 Quadratmetern wird von Regisseur Thaddeus Strassberger ordentlich mit Leben und weiteren Symbolen erfüllt: So fahren der Mandarin, Timur und Liù mit einem zwölf Meter langen Totenschiff mit geisterhaften, zotteligen Wesen herein, auf dem ein großer Haufen von Totenschädeln der Geköpften mitgeführt wird. Nach ihrem Tod wird Lìu damit auch ihre letzte Reise antreten. Eine zierliche Brücke, von der immer wieder Akrobaten herunterspringen, führt zu einem großen drehbaren Kopf hoch oben, von wo der Kaiser regiert. Mit Henkerschwertern bewaffnete Frauen tanzen, schwarz gekleidete Ninjas mit Feuerreifen wirbeln herum, seilen sich vom Palast ab (Choreographie und Stunts: Ran Arthur Braun) und köpfen den Prinzen von Persien effektvoll am hohen Naturfelsen, um danach den Kopf herunter zu werfen. Und all das passiert in phantasievollen Kostümen von Giuseppe Palella. Aber auch sonst vermag der Regisseur die Protagonisten gelungen zu führen, Details sind jedoch auf der Distanz zur Bühne nicht immer eindeutig wahrnehmbar. Und zum Finale wird sogar selbst der Tod umgebracht.
Gesungen wird verstärkt und sehr gut: Martina Serafin singt die Titelrolle hochdramatisch mit großem Durchsetzungsvermögen. Ihr ebenbürtig ist Donata D’Annunzio Lombardi als sehr innige Liù. Andrea Shin ist ein Calaf mit schönem, kraftvollem und höhensicherem Tenor. Stimmgewaltig hört man auch den Timur des Alessandro Guerzoni. Gut agieren und singen Leo An (Ping), Jonathan Winell (Pang) und Enrico Casari (Pong). Benedikt Kobel verfügt als Kaiser über viel Präsenz aber auch viel Tremolo. Mikolaj Bonkowski ist ein solider Mandarin. Homogen und differenziert hört man auch den Philharmonia Chor (einstudiert von Walter Zeh) aus dem Off.
Von dort ist auch das Piedra Festival Orchester unter Giuseppe Finzi zu vernehmen: Abgesehen von kleineren Wacklern mit der Bühne gelingt es, packende Steigerungen und Effekte auszureizen sowie auch feine Lyrismen zu produzieren.
Einziges Ärgernis bei der Premiere war, dass zahlreiche Besucher bis zu 30 Minuten zu spät kamen und störend zwischen den Reihen herumirrten. Zu Beginn konnte Daniel Serafin als künstlerischem Leiter wieder viel Prominenz aus Politik, Wirtschaft und Kunst begrüßen. Für nächstes Jahr wird Verdis „Nabucco“ angekündigt.
Weitere Vorstellungen bis 21. 8.
Infos und Karten:www.operimsteinbruch.at
Helmut Christian