Auf der Grünen Wiese zwischen Tirol und Bayern Wagners Ring-Tetralogie stemmen zu wollen, ist ein ehrgeiziges Unterfangen.Gustav Kuhn, der so umtriebige wie despotische und übergriffige Gründungschef des Festspiels, hatte das Riesenopus einst ohne das Netzwerk eines Opernhauses auf die Bühne des für Passionsspiele errichteten Rundbaus gewuchtet. Nach seinem unrühmlichen Abgang übernahm Frankfurts Opernchef Bernd Loebe die Leitung. Er kann bei seinem Versuch, bis 2023 den gesamten „Ring des Nibelungen“ zu schmieden, auf Logistik und Personal seines Hauses zurückgreifen.


Das erklärt nicht nur, dass die Besetzungsliste viele Bezüge zu Frankfurt aufweist, sondern auch die hohe Qualität der Besetzungen in beiden Opern, die am Wochenende Premiere hatten: Engelbert Humperdincks „Königskinder“ und Richard Wagners „Rheingold“.
Das von Brigitte Fassbaender mit einfachsten Mitteln und kluger Personenführung in Szene gesetzte „Vorspiel“ der Ring-Tetralogie weckt Vorfreude auf das Gesamtprojekt. Fassbaender, die oft als Fricka auf der Bühne gestanden war, kennt die Psychologie der Figuren bis ins Detail. Unter Verzicht auf bühnentechnische Spezialeffekte, die der Bau gar nicht gestattet, zeigt sie die Parabel von Machtgier und Verderben mit feinem Humor und bezwingender Schlichtheit. Dass das Orchester hinter der Szene sitzt, verstärkt noch die theatralische Wirkung.


Unter der klaren, straffen Leitung Eric Nielsens musiziert ein erlesenes Ensemble, das fast nur aus Rollendebütanten besteht: Simon Baileys Wotan würde jedem ersten Haus Ehre machen. Ian Koziara gibt dem intriganten Feuergott Loge mit seinem jugendlichen Tenor jene zynische Schärfe, die den Außenseiter zum eigentlichen Spielmacher des Abends erhebt. Craig Colclough verleiht dem Alberich tragische, menschlich anrührende Facetten, die diesem Finsterling gewöhnlich fehlen. Dass bis zu den lupenreinen Rheintöchtern alle Rollen hervorragend besetzt sind, rechtfertigt eine dringende Reiseempfehlung.

Die Aktualisierung des Stoffs


Loebe kombiniert das Zentralwerk des Repertoires mit einer Rarität, der eine ähnlich düstere Gesellschaftsanalyse zugrunde liegt: Engelbert Humperdincks „Königskinder“, gespielt im neuen Festspielhaus. Während die jüngste Grazer Inszenierung des 1910 uraufgeführten Stücks ganz auf das Märchenhafte des Stoffs setzte, versucht es der Südafrikaner Matthew Wild in Erl mit Aktualisierung. Die Hexe und ihre Gänsemagd hausen im Wohnwagen, die Dorfschenke ist ein Würstelstand im Stadion, am Ende bleiben nur Industrieruinen und tote Bäume. Die Geschichte der beiden Jugendlichen, die an das Gute im Menschen glauben und vergeblich hoffen, es auch im aggressiven Mob wecken zu können, lässt sich überall und jederzeit erzählen.


Auch hier gelingen Loebe wunderbare Besetzungen, etwa der Kanadier Iain MacNeil als Spielmann, der mit seinem warmen Bariton vergebens versucht, der Geschichte eine positive Wende zu geben. Oder die stimmgewaltige Hexe der Katharina Magiera. Gerard Schneider in der Rolle des Königssohns hätte man innig gewünscht, mit seiner Gänsemagd, der glockenhellen Karen Vuong, weise zu herrschen.


Karsten Januschke hat von Christian Thielemann, dem er einst in Bayreuth assistieren durfte, leider mehr Marotten als musikalische Intensität gelernt. Das international zusammengesetzte Festspielorchester bringt Humperdincks lyrische Partitur ebenso zum Leuchten wie Wagners kühnes Musikdrama. Das Publikum, von Masken befreit, dankte mit Jubel.