Don Juan, List-Halle Graz, 24. Juli

Seit Jahren ist der Juli für Jordi Savall der „Österreich-Monat“. Da pendelt er zwischen Graz, wo er seit 1993 beliebter Dauergast der styriarte ist, und Salzburg. Auch heuer war das wieder so.

Nachdem der Katalane das Stainz-Konzert mit Barockmusik dirigiert hatte, das auch als ORF-Klangwolke übertragen worden war, war er vergangenen Woche bei den Festspielen an der Salzach zwei Mal in der Auftaktreihe „Ouverture spirituelle“ im Einsatz, zwei Mal mit dem Klangforum Wien in Gegenüberstellungen von alter und neuer Musik.

Einmal brachte er mit seiner Capella Reial und dem Orchester Hespèrion XXI ein Officium von Cristobal de Morales vor einem Part mit Olivier Messiaen, einmal Monteverdis „Madrigali guerrieri, et amorosi“ vor einem Werk von Luigi Dallapiccola. Dabei sang man gemeinsam mit dem beteiligten Vokalensemble Cantando Admont von Cordula Bürgi als Zugabe das Friedensgebet „Da pacem Domine“ von Arvo Pärt, das der Dirigent und Meistergambist, der übrigens am 1. August 80 wird, nach den Bombenanschlägen von Madrid 2004 beim Esten in Auftrag gegeben hatte.

Nun setzte Savall, auch schon gute Tradition, den glanzvollen Schlusspunkt hinter das styriarte-Festival. Dazu hatte er für barocke Programmmusik sein 25-köpfiges Concert des Nations mitgebracht. Das zeigte schon bei Jean-Féry Rebels erzählerischer Ballettmusik „Les Éléments“, worauf es ihm und dem Maestro ankommt: kantiger Schliff statt runder Schönklang in der im völligen Chaos beginnenden Orchestersuite.

Auch in Händels „Wassermusik“, oft reichlich poliert, gab Rauheit den Ton an, waren die Stimmen akzentuiert ausformuliert. Und in Christoph Willibald Glucks farbenreicher Ballettmusik „Don Juan“ konnte man zwischen den Galanterien die Bedrohung durch den über Leichen gehenden Verführer spüren, der im Finale in eine instrumental furiose Höllenfahrt hineingezogen wird.

Für den Jubel des Publikums in der List-Halle revanchierte man sich mit einem Kontratanz von Jean-Philippe Rameau und einer Bourrée, „die man Ravels ,Bolero' aus dem 17. Jahrhundert nennen könnte“, wie Jordi Savall schmunzelnd erklärte. (Michael Tschida)

Im Hörfunk: 28. Juli, 19.30 Uhr, Ö1

Salsa sinfonica. List-Halle Graz, 23. Juli

Manchen ist ja nichts groß genug. Anscheinend gibt es auch bei der styriarte solche Menschen, die daher auf die Idee verfielen, eine Salsa-Bigband mit einem Streichorchester zu erweitern. Dass das ausgezeichnet funktionieren kann, wurde in der List-Halle demonstriert. Die Musiker der Ismael Barrios Salsa Explosion zeigten, vom Percussionisten angeleitet und lebhaft animiert, dass der Name durchaus Programm ist und zündeten ein Feuerwerk der lateinamerikanischen Rhythmen.
Alleine schon imposant, hätten sie die Unterstützung durch das styriarte-Streicherorchester wohl nicht notwendig gehabt, nahmen aber dankend an. In den durchaus interessanten Arrangements entwickelte sich ein angeregtes Wechselspiel zwischen den Streichern und der Brass Section, unterstützt von großartig schrägen Fingerverrenkungen am Klavier (Hamlet Fiorilli). Dazwischen fand sich auch das eine oder andere ruhige und entsprechend reduzierte Stück. Schade nur, dass es zumindest in den vordersten Reihen schwierig war, in der Fülle der vielen Instrumente die Musik zu hören und sich die Salsa (spanisch Soße) zu einem klanglichen Brei eindickte. (Michael Eder)

Tausendundeine Nacht. List-Halle Graz, 22. Juli

Märchenhaft verträumt zeigte sich am Donnerstag die styriarte in der Grazer Helmut-List-Halle. Schauspielerin Chris Pichler, dem Anlass entsprechend kostümiert, bot anregend einige Erzählungen aus dem arabischen Klassiker Tausendundeine Nacht und zeigte dabei einen vollauf fesselnden Erzählstil und gekonnt eingesetzte stimmliche Akrobatik. Nur manche zur Erheiterung eingestreute Situationskomik erschien als eher flacher Exotismus, frei nach dem Motto: Stumpf ist Trumpf.
Umrahmt und begleitet wurde die Lesung vom Ensemble Misafir, unter der Leitung des Perkussionisten Murat Cokun, das traditionelle Musik aus dem Osmanischen Reich auf ihre moderne Tauglichkeit prüfte und für ein angenehmes Zusammenspiel mit Pichlers markanter Stimme sorgte. Sehr virtuos und spielstark, mit unglaublicher Fingerfertigkeit und Geschwindigkeit erschufen die Musiker ein beeindruckendes Klangerlebnis und ließen in der zeitgemäßen Interpretation einiges aus Jazz und Weltmusik aufleuchten. Das, und vor allem die solistischen und improvisatorischen Fähigkeiten wurden zu Recht mit wiederholtem Szenenapplaus bedacht. (Michael Eder)

Lust auf Schubert, List-Halle Graz, 21. Juli

Wie viel Franz Schubert bringt man in 70 Konzertminuten unter? Zu wenig, möchte man angesichts der styriarte-Schubertiade meinen. Schließlich gab es zwar das „Forellenquintett“, aber man ließ den zweiten der fünf Sätze weg. Und Daniel Johannsen sang fünf der 20 Lieder aus „Die schöne Müllerin“, zusätzlich zu vier ausgewählten Liedern zum Thema „Wasser. Doch für Herz und Ohren war dies dennoch „vollauf genug“. Denn was Pianist Kristian Bezuidenhout und seine Freunde aus diesen Kurzfassungen machten, war einer der Höhepunkte des heurigen Festivals.

Im „Forellenquintett“ verschmolzen die fünf Stimmen förmlich ineinander, die Dramatik trat da eher in den Hintergrund, die fünf Musikerinnen und Musiker schufen eher ein anmutiges, aber in keinem Moment harmloses Aquarell. Und Bezuidenhout ist auch ein grandioser Liedbegleiter. So sanft hat sich der Bach in der „Müllerin“ noch nie gekräuselt, die Begleitung zu „Wohin?“ war in klanglicher Hinsicht die spannendste, die der Schreiber jemals zu hören bekam. Die klare Stimme Daniel Johannsens, der zu ausgeklügelter Wortmalerei neigt, harmonierte perfekt mit Bezuidenhouts Silberstiftzeichnungen am Hammerflügel. Ein trotz seiner Bruchstückhaftigkeit kompletter Abend. (Martin Gasser)

Lust auf Tschaikowsky, List-Halle Graz, 20. Juli

Ob die aus gut fünf Dutzend bestehende, ambitioniert aufspielende Musikjungschar vorweg, offensichtlich als Gag „oldfashioned“ auftrat und sich dann während des Konzerts der Klamotten entledigte und hernach in
T-Shirts weiterspielte, war eigentlich belanglos.

Die Rede ist von Tschaikowskis „Fünfter“. Gerne erinnert man sich an Andrés Orozco-Estrada, den seinerzeitigen spektakuläre Ereignisse verantwortenden Chef von recreation. Heute steht der aus Medellín in Kolumbien stammende Maestro den Wiener Symphonikern vor. Nun leitete er das von ihm initiierte, sich erstmalig präsentierende „styriarte Festspielorchester.Youth“. Sperriger geht’s zwar kaum mehr, doch die Jungmusiker zwischen 16 und 26 spielten sich, angefeuert durch die suggestiv-tänzerische Gestik Orozcos prächtig durch alle Höhen und Tiefen der pathetischen Partitur. Und gewannen zusammen mit ihrem emphatischen Maestro volle Begeisterung seitens des Publikums in der List-Halle.  Estrada übrigens warf seine Kluft erst nach der Schlussapotheose beiseite. (Walther Neumann)

Tango del Diablo, LIst-Halle Graz, 19. Juli

Innerhalb straffer Spannung ging es immer wieder auch etwas spröde zu. Doch das vom argentinischen Bandoneon-Großmeister Marcelo Nisinman angeführte Quintett konnte „en todo momento“ eine zweimal in die List-Halle geströmte Zuhörerschaft begeistern.
Einhören war nicht nötig, bestenfalls Einfühlen. Im zwölfteiligen, sich an Astor Piazzolla orientierenden Programm „Tango del Diablo“ stammten vom 50-jährigen musikalischen Multitalent Nisinman neben dem „Tango Nuevísimo“ zuzuordnenden Originalkompositionen auch etliche Piazzolla-Bearbeitungen.  Der Geiger und Wahlfranzose Christian Danowicz ist genauso wie seine lettische Pianistenkollegin Diana Ketler auch klassisch unterwegs, während sich der deutsche Kontrabassist Winfried Holzenkamp in Argentinien dem Tango exklusiv verschrieben hat. Ganz in des Mentors Sinne spielte mit Alberto Mesirca auch ein E-Gitarrist mit, hatte doch Piazzolla seinerzeit mit der Besetzung des „Octeto Buenos Aires“ in der traditionellen Szene ein mittleres Erdbeben verursacht. (Walther Neumann)

La Pastorella, Schloßbergbühne Graz, 18. Juli

Wie vielseitig, nuancenreich und klangschön Blockflöten klingen, wenn eine echte Virtuosin musiziert, bewies Dorothee Oberlinger mit dem Ensemble „Sonatori della Gioiosa Marca“ aus Treviso. Antonio Vivaldis Concerto da camera „La Pastorella“ (Die Hirtin) war titelgebend für einen Abend, der musikalisch durch drei Jahrhunderte venezianischer Sommerfrische führte. Mit einer schlichten, innigen Melodie von Fratre Gerardo besang Elisabetta de Mircovich (Sopran und Renaissance-Instrumente) zum Auftakt „Altra Nocte“. Melancholisch bis ländlich war Vivaldis Sinfonia zu „La Senna festeggiante“; zärtlich und behutsam bis temperamentvoll Marco Uccelinis „Aria sopra la Bergamesca“. Die Sonatori della Gioiosa Marca bewiesen sich als souveräne, gut aufeinander eingespielte Begleiter, die Oberlinger als „Frontfrau“ mit Barock- und Renaissanceflöten in allen Stimmlagen glänzen ließen. Nach di Lasso, Frescobaldi, Merula und mehr Vivaldi stellte dessen Concerto in C, RV 443 einen fulminanten Höhepunkt dar. (Eva Schulz)
Hörfunkübertragung: 26. Juli, 14.05 Uhr, Ö1.

Carmina Burana, List-Halle Graz, 17. und 18. Juli

"Carmina Burana", geleitet von Patrick Hahn
"Carmina Burana", geleitet von Patrick Hahn © Nikola Milatovic/styriarte

Eingängig, mitreißend, opulent sind Carl Orffs „Carmina Burana“. Und die „szenische Kantate“ aus dem Jahr 1937 ist so beliebt, dass die Helmut-List-Halle viermal damit ausverkauft war. Aber, auch wenn die kompositorische Vorlage quasi ein Selbstläufer für Erfolg scheint, gehört doch einiges dazu, das populäre Werk grandios zu gestalten.
Bei der styriarte gelang das Vorhaben, denn wirklich alle Mitwirkenden erwiesen sich als Idealbesetzung: Die exzellenten Chöre (insgesamt 137 Sängerinnen und Sänger) – der „chor pro musica graz“ (Einstudierung: Gerd Kenda), der Kinderchor der KUG & der HIB.art.chor (Maria Fürntratt) und der Chor des Johann-Joseph-Fux-Konservatoriums (Franz M. Herzog) – zeichneten sich durch genaue Artikulation und rhythmische Akkuratesse aus, die erforderlich sind, um die Orff’schen Klangexplosionen nicht zum Klangbrei werden zu lassen. Das Orchester recreation war dabei kongenialer Begleiter und Dialogpartner. Immer transparent trotz Klangfülle, abwechselnd hoch expressiv, dann wieder lyrisch (wunderschön die Flötensoli von Maria Beatrice Cantelli) vereinte es Virtuosität und musikalischen Ausdruck.
Dass die rund 200 Musizierenden eine so stimmige Gesamtleistung boten, war nicht zuletzt das Verdienst von Patrick Hahns souveräner, aber unaufdringlicher Leitung. Zusätzliche Glanzlichter setzten natürlich auch die Solisten: Sopranistin Tetiana Miyus, silbrig, strahlend und zu Herzen gehend im „Cour d’amours“, und Damien Gastl, der mit seinem warmen, wohltönenden Bariton erst gefühlvoll („Omnia sol temperat“) den Frühling besang und sich dann kraftvoll derb im „In Taberna“ zeigte. (Eva Schulz)

CelloVersum, List-Halle Graz, 14. Juli

Sechs Cellisten mit einem bunten Programm quer durch die Jahrhunderte. Was nach sehr kurzweiliger Unterhaltung klingt, hat natürlich genau aus diesem Grund seine Tücken. Dass man Musik aus völlig unterschiedlichen Ecken (von Carlo Gesualdo und Bach bis Bizet und Astor Piazzolla) einer gemeinsamen Klangvorstellung unterordnet, ist gewiss noch legitim. Problematisch ist jedoch der Wunschkonzert-Charakter eines solchen Programms, der die großartige Musik der Jahrhunderte auf eine Ansammlung von Kleinigkeiten und Häppchen, eine Parade der schönen und reizvollen Momente reduziert.
Dabei ließen Matthias Bartolomey und seine fünf Mit-Cellisten bei den Barockbearbeitungen ebenso aufhorchen wie bei den genialisch aufbereiteten Symphonic Dances aus Bernsteins „West Side Story“. Am spannendsten waren jedoch die beiden Eigenkompositionen Bartolomeys, in denen er die Möglichkeiten des Instrumentes wunderbar ausschöpft: Das geheimnisvolle „Preikestolen“ und das aufwühlende „Herz“. (Martin Gasser)

All you need is love, List-Halle Graz, 13. Juli

Das Londoner Vokalensemble Voces8 konnte wegen verlängerter Covid-Beschränkungen nicht ausreisen. Das deutsche Sextett Singer Pur sprang daher kurzfristig für „All you need is love“ in der Grazer Listhalle ein und besang Lust und Leid der Liebe. Und die Lust am Leid. Mit großem Wohlklang und in perfekter Harmonie interpretierte das A-cappella-Ensemble Werke von Monteverdi, Philipp Glass, Irving Berlin oder George Gershwin.

Doch bei allem Wohlklang gibt es Konzerte, die einen mit dem Gefühl „Eh schön, aber …“ zurücklassen und es ist nicht leicht zu beschreiben, was gefehlt hat. Nikolaus Harnoncourt konnte es und daher sei er hier zitiert: „Schönheit und Sicherheit sind nicht kompatibel. Je schöner etwas ist, desto riskanter ist es … Wir kommen nie an den höchsten Punkt, aber ganz knapp neben der höchst erreichbaren Schönheit ist der Abgrund – und der Absturz. Dort haben wir uns hinzubegeben, wir haben nicht in der Sicherheitszone herumzuwursteln“, sagte der große Musiker in einem Interview 2016. Singer pur können mehr, als in der Komfortzone verbleiben! Und das sollten sie als Kompliment und Anregung verstehen. (Eva Schulz)

Lust auf Mozart, List-Halle Graz, 12. Juli

Ein Abend wie aus einem Guss: styriarte-Stammgast Florian Birsak zeichnete Wolfgang Amadé Mozarts häufig gespielte A-Dur-Klaviersonate KV 331 (jene mit dem türkischen Marsch) mit kaum je zu hörenden feinen und feinsten Klangschattierungen und -wirkungen nach. Er modellierte auf seinem filigranen Hammerklavier-Nachbau kunstvolle und ausdrucksstarke Phrasen und kreierte weite Bögen – zart und leise, aber so reichhaltig, dass man in keinem Moment die viel prominenteren Pianisten an ihren Steinways und Bösendorfern vermisste.
Samtweich und wie echtes, gehaltvolles Divertissement tönte das B-Dur-Klaviertrio KV 502, wo Fritz Kircher (Geige) und Ursina Braun (Cello) Birsak kongenial unterstützten.

Dazwischen gab es Mozart-Lieder, anmutige Geschöpfe der Vorromantik, die man sehr selten zu hören bekommt und von der Sopranistin Maria Ladurner passgenau in der Kehle lagen. Die hörbar am Barockgesang geschulte Ladurner singt das, wie man es am besten singt, mit scheinbarer Einfachheit und Natürlichkeit, ohne Vibrato, lyrisch gerundet und mit einem kleinen Sonnenstrahl in der Stimme. Dies komplettierte eine intim-unspektakuläre, künstlerisch jedoch bedeutsame Mozartiade. (Martin Gasser)

Love Songs, List-Halle Graz, 10. Juli

Am Wochenende widmeten sich eine der umtriebigsten Bands zurzeit im Auftrag der styriarte den schönsten Liebesliedern der Popgeschichte. Die fünf Musiker von 5k HD drückten dabei, in einem für den romantischen Anlass entsprechend reduzierten Akustik-Set, den Songs ihren eigenen Stempel auf. Mit einer jazzlastigen, eigenwilligen, aber dennoch eingängigen Interpretation, die mit innovativen Spieltechniken auch den Wurzeln der Band im Elektropop gerecht wurde, kam so etwa „Don’t let me down“ von den Beatles zu einer minimalistischen Neuversion. Catchy also, und wie man auch so schön neudeutsch sagt, chillig. Über die  stimmlichen Qualitäten von Mira Lu Kovacs ist wohl das meiste schon geschrieben, deshalb sei hier besser erwähnt, dass Manu Mayr am Kontrabass einen fein austarierten Auftritt ablieferte und Andreas Lettner das anspruchsvolle Timing am Schlagzeug sehr gut umsetzte. Benny Oberzell freute sich offensichtlich über die Gelegenheit auf einem Konzertflügel zu spielen und Martin Eberle vervollständigte mit gut abgestimmten Trompetenklängen ein einladendes Gesamtbild und ein kuschelig gemütliches Konzert. (Michael Eder)

Marienvesper, Pfarrkirche Stainz, 10. Juli

Die schöne Stainzer Pfarrkirche war gleich viermal Schauplatz für eine beeindruckende, aus drei einschlägigen Meisterwerken bestehende „Marienvesper“. Das ganze Ambiente strahlte schon von allem Anfang an eine Art Erwartungshaltung aus. Ausschlaggebend hierfür war der Name Jordi Savall; eilt doch dem mit kaum noch überschaubaren Auszeichnungen und Preisen geadelten Meister der Alten Musik auch in der styriarte, seiner„Wahlheimat“, ein besonderer Ruf voraus.

So ließen auch die Protagonisten keinen Wunsch offen: Vorerst einmal die prächtig vorbereiteten 18 Damen und 10 Herren aus dem Arnold-Schoenberg-Chor. Dieser wird zusammen mit seinem Mentor und Gründer Erwin Ortner bald ein halbes Jahrhundert des Bestehens feiern. Dann das auf Darmsaiten in den Streichern und in Naturstimmung im Blech unter der Konzertmeisterin Maria Bader-Kubizek intensiv und klangfarbig aufspielende „styriarte Festspiel-Orchester“. Nicht zu vergessen das Vokalistenquintett aus dem die aus Graz stammende Altistin Sophie Rennert mit fast nur im Mezzavoce souverän ausgebreiteten Koloraturen sowie die glockenrein und detailgenau platzierten Soprantöne von Maria Ladurner pars pro toto hervorgehoben seien.

Suggestiv und sparsam-elegant Maestro Jordi. Sein differenzierter, zu hoher Konzentration animierender Gestaltungsgestus ließ wenig anderen Spielraum zu. Bei den zeitlich benachbarten Barockwerken ging Savall chronologisch vor: Nach einer wunderbar ziselierten Johann-Joseph-Fux-Versper und Vivaldis neunsätzigem Magnificat brachte der katalanische „Mestre de capella“ Händels 10-teiligen Psalm „Dixit Dominus“ zu krönendem, ja prallem Barock(er)leben. Das ging schon unter die Haut. (Walther Neumann)        

Il Decamerone, List-Halle Graz, 8. Juli

Der Blick in vergangene Zeiten birgt oft überraschende Einsichten. Das zeigte sich auch in der Helmut-List-Halle bei einer musikalischen Lesung mit Schauspieler Karl Markovics und dem Unicorn Ensemble. Markovics las dabei mit angeregter Mimik erheiternde Geschichten aus Giovanni Boccaccios „Il Decamerone“ (1353).  Mit viel Wortwitz war dabei von nächtlichen Verwechslungen und listig-lüsternen Mönchen zu hören. Und auch der Schauspieler selbst erinnerte im weißen Anzug an einen Prediger – der Liebe, Lust und Freude. Die musikalische Begleitung durch das Unicorn Ensemble unter der Leitung von Michael Posch strahlte dabei eine erfreuliche Vitalität aus und zeigte, dass alte Musik nicht nur gespielt, sondern auch gelebt werden kann. Die zeitlich passenden, vornehmlich weltlichen Stücke des Trecento erwiesen sich dabei als fröhliche Untermalung und stimmige Entsprechung zum lust- und lebensbejahenden Thema der Geschichten. Eine unterhaltsame Leichtigkeit, die man sich in heutigen, manchmal prüden Zeiten, oft nur wünscht. (Michael Eder)

"Visions", Stefaniensaal Graz, 7. Juli

Dass man gerade mit einer streng katholisch inspirierten Musik dem Festivalthema "Lust" so eng wie nur möglich kommen kann, zeigte eine musikalische Sternstunde mit Tamara Stefanovich und Pierre-Laurent Aimard. Die "Visions de l'Amen" von Olivier Messiaen sind ein Monument aus Zärtlichkeit, Ekstase und Transzendenz. Ob es nun eine Versinnlichung der Religion ist, oder die Sakralisierung der Sinnlichkeit - was Messiaen in diesen sieben Klavier-Visionen aus den 1940-er-Jahren schuf, ist unvergleichlich. Eine Tour de Force, wie viele der Stücke des Komponisten, während der Messiaen die Möglichkeiten von Musik voller Wagemut auslotet. Die konzeptuell an Glockenklänge angelehnte Ouvertüre mit Musik von Maurice Ravel, Oliver Knussen und Harrison Birtwistle, die Stefanovich/Aimard davor gesetzt hattem, verblasste angesichts der Intensität, mit der sie die "Visions" in Szene setzten. Die Intensität steigerte sich bis zur siebenten Vision zur Weißglut: Die Vorstellung von der Apokalypse wird von Messiaen als Triumph gestaltet, geprägt von einer nicht enden wollenden Lust, die 20 Finger immer wieder beschwörend Klang werden lassen und dem Fazit, dass es bei der Vision nicht nur um das Sehen, sondern auch das plötzliche Verstehen geht. Triumphal. (Martin Gasser)

Hörfunkausstrahlung: 12. August, 19.30 Uhr. Ö1

"Schuld war nur der Bossa Nova" List-Halle Graz, 6. Juli

Dem Festivalmotto gemäß lustvoll präsentierten sich Eddie Luis & Die Gnadenlosen, selten in vollem Sound, meist eher dezent, ja kammermusikalisch orientiert. Allemal aber höchst versiert. Leader und Spiritus Rector Eduard Luis moderierte und sang, griff auch immer wieder zur Violine, Gitarre oder Mandoline und schmetterte als wahrer Multi-Kulti-Tausendsassa auch einmal markige Posaunen- oder Trompetensoli heraus. Mit und neben ihm sechs weitere Qualifizierte, darunter als „Henne im Korb“ Linde Härtel, auftrumpfend bisweilen mit erfreulich gut platzierten Hochtönen; tänzelnd, tanzend und trällernd, auch auf der Geige.
Das Septett brachte laute Hits aus den Golden Sixties“, bei denen die Herzen höherschlugen. Von „Ach Egon, ich hab ja nur aus Liebe zu dir“ über einen Beatles-Song bis zu „Kann denn Liebe Sünde sein?“ Bisserl Swing, bisserl Jazz, bisserl Kitsch. Durfte alles sein. Hauptsache, das Stimmungsbarometer in der List-Halle stieg von „fair“ flugs auf „hot“.
(Walther Neumann)

"Trombones on Fire" Schloßbergbühne Graz, 6. Juli

Acht Posaunisten der von Frederic Belli gegründeten „Trombone Unit Hannover“, allesamt Mitglieder in deutschen Spitzenorchestern, und zwei Schlagzeuger luden auf der Kasemattenbühne zu „Trombones on Fire“. Da war Händels „Music for the Royal Fireworks“ fast logischer Auftakt. Getragen und festlich, bald aber auch mit sensibler, gezügelter Kraft. Das anschließende „raumwandeln“ von Elisabeth Harnik, ein Kompositionsauftrag der styriarte 2021, spielte gekonnt mit dem Effekt eines den Hörer umhüllenden Klangs. Töne wurden von den Posaunen überlappend übergeben, spannende Klangrede und -antwort ließ rätseln, woher die Musik kommt. Sehnsuchtsvoll und schicksalsschwer erklang dann ein Arrangement aus Prokofjeffs Suiten 1 & 2 „Romeo und Julia“. Den Abschluss bildeten Gustav Holsts „Planeten“. Bei der „Venus“ gelang den Posaunen – unterstützt von den silbrigen Klängen eines Vibrafons – die erforderliche Zartheit, beim „Jupiter“ eine energiegeladene, schwungvolle Deutung.  (Eva Schulz)

"Summer of Love" Schloßbergbühne Graz, 5. Juli

Silvana Veit in "Summer of love"
Silvana Veit in "Summer of love" © Nikola Milatovic/styriarte

Auf den Kasematten am Grazer Schloßberg rief die styriarte, ein wenig abseits ihrer angestammten musikalischen Gewässer, nach mehr als 50 Jahren noch einmal den Summer of Love aus. Also machte sich eine eigens für den Abend formierte Musikgruppe sehr eindrücklich daran, einige der bekanntesten Stücke der Popmusik aus dem Jahr 1967 ins Hier und Heute zu bringen. Mit viel Kreativität und Spiellust, aber vor allem auch mit dem Mut, die Grundstimmung von Songs neu zu denken, schufen Silvana Veit, Niki Waltersdorfer, Gottfried Krienzer, Raphael Meinhart, Viola Hammer und Alberto Lovison hier eine faszinierende Retrospektive zur Musik der 60er Jahre. Vor allem bei "Purple Haze" (Jimi Hendrix) und "Down On Me" (Janis Joplin/Traditional) schafften es die Musiker – trotz eines kastrierten Gitarrenriffs bei Hendrix – auch mit einer sehr weit entfernten Version den Songs gerecht zu werden. Dass das Konzert gesamt ein wenig kopflastig ausfiel und die Musik nur selten die weltverachtende Leichtigkeit der Hippies anklingen ließ, fiel angesichts so viel progressiver Energie kaum ins Gewicht. (Michael Eder)

"Clarinet Connection" List-Halle Graz, 5. Juli

Wiener Musikuniversität, Volksoper und Klagenfurter Konservatorium: Ist auch die Tätigkeit jedes einzelnen der vierköpfigen „Clarinet Connection“ unterschiedlich, die Art des Zusammenspiels, Tongebung, Intonation und besonders die Phrasierungskunst ist exemplarisch.
Ist letzterer Terminus mittlerweile auch ein wenig abgegriffen, hier wird er durch die Klarinettisten Helmut Hödl und Rupert Frankhauser, den Bassetthornisten Hubert Salmhofer und den Bassklarinettisten Wolfgang Kornberger gleichsam zu neuem Leben erweckt. Besonders beim Großmeister Mozart, von dem, nimmt man die von Wolfgang Kornberger gekonnt gesetzte spritzig-witzige Paraphrase von Dave Brubecks „Alla turca“ mit hinein, drei Stücke erklangen. Doch auch die Bearbeitung von Tschaikowskis „Nussknacker“-Suite durch Hödl oder Astor Piazzollas „Nightclub 1960“ aus dessen „Histoire du Tango“ gerieten zu Kabinettstückerln, denen Salmhofers feinsinniger „Orientzauber“ noch eines draufsetzte. Begeisterung in der vollen Helmut-List-Halle.
(Walther Neumann)

"Telemannia", Schloßbergkasematten Graz, 4. Juli

BartolomeyBittmann sind, wie schon ihr Duo-Name zeigt, fast so etwas wie die Unzertrennlichen. Erst kürzlich bewiesen die zwei Kongenialen im Grazer Musikverein wieder, wie man die Grenzbalken zwischen Pop, Rock und Klassik mühelos hochgehen lässt. Aber natürlich verfolgt ein jeder auch seine eigenen Projekte, siehe styriarte:

Der Wiener Matthias Bartolomey wird am 14. Juli mit fünf weiteren Kollegen aus seiner Instrumentengruppe ein „CelloVersum“ zwischen Gesualdo und Bernstein aufspannen. Der Grazer Klemens Bittmann war schon dran, er präsentierte in den Schloßbergkasematten mit Georg Gratzer das auch auf CD vorliegende Projekt „Telemannia“. Sie zeigten, was es bedeutet, wenn zwei spielen, die nicht nur Telemann, sondern auch einander seit Studientagen künstlerisch und menschlich nahe sind: Virtuos und funkensprühend schickten sie den Komponisten aus dem 18. Jahrhundert auf Zeitreise, in einem feinen Dialog zwischen Bittmanns Feuer an Mandola und Violine und Gratzers honigweichem Saxofon. Es folgten Ausflüge nach Indien und zu John McLaughlin. Zum Ende gab’s Standing Ovations für die beiden, die den Abschied mit einem zärtlich-groovigen „Wo i geh und steh“ versüßten.
(Nina Koren)

"Liebesliederwalzer", 4. Juli, List-Halle Graz

Im besten Sinne des Wortes entzückend war der ganz Johannes Brahms gewidmete Abend „Liebeslieder-Walzer“ in der List-Halle. Olga Chepovetsky und Philipp Scheucher präsentierten sich als ungemein harmonisches und virtuoses Duo beim Walzer, op. 39, für Klavier zu vier Händen. Farbig und facettenreich statteten die zwei jede der Miniaturen mit einem eigenen Charakter aus. Beim Liebeslieder-Walzer, op. 52, bewährten sich Chepovetsky und Scheucher auch als ideale Liedbegleiter.

Die Camerata Styria führte unter der Leitung von Sebastian Meixner gesanglich nuanciert und klangschön durch die verschiedenen Emotionen der Liebe. Sehnsuchtsvolle Dialoge und Klagen über verlorene Liebe wechselten mit witzigen Zeilen wie „wäre lang ein Mönch geworden, wären nicht die Frauen!“ oder dem köstlichen „Nein, es ist nicht auszukommen mit den Leuten“.

Hochenergetisch bis elegisch gab es dazwischen weitere Walzer aus Brahms’ op. 39. Der Abschluss mit den Ungarischen Tänzen 1-5 zeigte das Klavierduo ein weiteres Mal temperament- und gefühlvoll und beim 5., wohl bekanntesten der Tänze, auch mit komödiantischem Talent. Mit der Zugabe „Guten Abend, gut’ Nacht“ klang der schöne Abend aus.
(Eva Schulz)

Il Castrato, List-Halle Graz, 3. Juli

Im Neapel vor 300 Jahren wäre Samuel Mariño wohl ein Superstar gewesen. Die damalige grausame Praxis, bei musikalischen Knaben „Stimmbildung“ mit dem „Messerchen“ zu betreiben, um mit ihnen als Kastraten auch später Hörsensationen bieten zu können, hatte lange gewährt, gottlob aber nicht ewig.

Beim Venezolaner war es eine Laune der Natur, dass er nie in den Stimmbruch kam. Eine Laune, die auf der Bühne Staunen macht. Denn Sopranisten, die jeden noch so hochtönenden Countertenor weit unter sich lassen, wie etwa der Wiener Max Emanuel Cenčić in jungen Solistenjahren, sind rar gesät. Mariño weiß mit dieser seltenen Gabe brillant umzugehen. Das bewies er nun erstmals in Graz, zusammen mit Michael Hofstetter, mit dem er auch schon für die Händelfestspiele im sächsischen Halle und für eine daraus resultierende CD zusammengearbeitet hat.

Das Programm dieses Albums mit Werken von Händel und Gluck, teils in Ersteinspielungen, war auch Kern des styriarte-Projekts „Il Castrato“. Und was Mariño in der List-Halle servierte, war Ausnahmegesang vom Feinsten. Elegante Lyrismen, Koloraturengeläufigkeit bis in stratosphärische Höhen oder ziselierende Verzierungskunst – etwa im halsbrecherischen Duett, nein, Duell mit dem Oboisten (Philipp Wagner) in der Bravourarie „Quella fiamma“ aus Händels „Arminio“: Der 27-Jährige beherrscht alles wie selbstverständlich aus dem Eff-Eff und weiß sich als Show-Man in Glitzerhose, Silberschuhen und androgynem Sex-Appeal auch sonst in Szene zu setzen. Das styriarte-Festspiel-Orchester um Geigerin Maria Bader-Kubizek rollte ihm nicht nur elegant den roten Teppich aus, sondern zeigte unter Hofstetter auch in einer Ouvertüre, einem Concerto und einer Sinfonia, dass Originalklang erst mit Ecken und Kanten eine runde Sache ist. Riesenjubel!
(Michael Tschida)
Im Hörfunk. 1. 9., 19.30 Uhr, Ö1.
CD-Tipp: Care Pupille. Samuel Mariño, Händelfestspielorchester Halle, Michael Hofstetter. Orfeo.

Höchste Lust, List-Halle Graz, 2. Juli

Ab den ersten Takten in der Grazer Listhalle war man beeindruckt von Bernd Glemsers unglaublicher Leichtigkeit und Transparenz, mit der er die anspruchsvollste Klavierliteratur meisterte. Aber man würde dem deutschen Pianisten nicht gerecht, wenn man nur seine „atemberaubende Virtuosität“ – so das Programmheft – lobte.

Bei Chopins drei Mazurken, op. 59 führte Glemser von Melancholie zu tänzerischer Heiterkeit und feurigem Vivace. In dessen „Barcarolle“ spürte man das Wiegen der Gondel und wurde von sehnsuchtsvollen, süßen Melodien verzaubert. Den denkbar stärksten Kontrast boten das „Spinnerlied“ und „Isoldes Liebestod“ in der Bearbeitung von Liszt: flirrend mit pointierter Phrasierung das eine, hochdramatisch und aufgewühlt das zweite Stück. Liszts Virtuosenstücke „Etudes d’exécution transcendantes“ fesselten danach ebenso wie Rachmaninoffs „Préludes“ und dessen „Liebesfreud“ in der Bearbeitung von Fritz Kreisler.
(Eva Schulz)
Zu hören: 16. 7., 19.30 Uhr auf Ö1

Klezmer Bridges, List-Halle Graz, 30. Juni

Flüstern, aufheulen, singen und schäkern – all das kann der Ausnahmemusiker und Herzensmensch Feidman mit seiner Klarinette. Sein Instrument ist für ihn „das Mikrophon seiner Seele“, und mit diesem hielt er in der List-Halle ein musikalisches Plädoyer für Einigkeit, Liebe und Frieden.

Giora Feidman in der List-Halle
Giora Feidman in der List-Halle © styriarte

In einem kunterbunten Programm von Klezmer-Klassikern bis zu Tango-Stücken von Carlos Gardel bewies der 85-Jährige, dass die Bühne noch immer sein Zuhause ist. Gemeinsam mit dem Rastrelli Cello Quartett schuf er stimmungsvolle „Unernst-Musik“, etwa im schwirrend betörenden „Summertime“ von George Gershwin. In „Dizzy Miss Lizzy“ tobten sich die vier Streicher in wirbelnden Läufen aus. In zwei Stücken aus ihrer Heimat St. Petersburg fand das Rastrelli Quartett dann eine verbindende Tiefe. Den Kern des Programms bildete eine Sammlung von Beatles-Songs, die in den freien Arrangements für (Bass)Klarinette und vier Celli Anklänge an verschiedene Stile zeigten und doch die Zuhörerschaft in einer vertrauten Stimmung einten.
(Katharina Hogrefe)

Il Ciarlatano, Frauenplatz, Bad Radkersburg, 29. Juni

Das Ensemble von "Il ciarlatano"
Das Ensemble von "Il ciarlatano" © Nikola Milatovc/styriarte

Man ist sofort verzaubert, wenn die abgehalfterte Theatercompagnie „La Baldracca“ (Alte Schabracke) im Gefolge des kultigen italienischen Dreirad-Transporters Piaggio Ape singend, spielend und lärmend hereinzieht. Erster Schauplatz der komischen Oper „Il Ciarlatano“ von Giovanni Battista Pergolesi im Rahmen von „styriarte on tour“ war der Frauenplatz in Bad Radkersburg.

Eigentlich will die Truppe zuerst Pergolesis „Adriano in Siria“ spielen. Doch für eine große Historienoper fehlen Musiker, Instrumente und Requisiten. So beschließt der zwielichtige Manager der Gruppe, das Stück umzubauen. Statt den Helden Adriano singt Mezzosopranistin Laura Orueta nun also Livietta, das Mädchen vom Lande, das den Dieb und Scharlatan Tracollo (Bariton Dietrich Henschel) überführen will. Regisseur Adrian Schvarzstein, selbst als Kumpan des Scharlatans auf der Bühne, inszenierte bereits mehrmals für die styriarte. Akrobat Didac Cano, Thomas Höft und das Ensemble Art House 17 sind die weiteren Akteure in dieser mitreißend komischen Produktion.
(Walter Schmidbauer)

Lust auf Dvořák, List-Halle Graz, 29. Juni

Junge Solisten der Tschechischen Kammermusikakademie rund um deren Leiter Tomáš Jamník (36) am Cello gaben sichder „Lust auf Dvořák“ hin und spielten die schönsten Streichermelodien des böhmischen Romantikers. Das Streichertrio „Drobnosti“ op. 75a stieg dabei mit mehreren Zehen in den Schmalztopf und ließ jenes Weniger, das mehr ist, wünschen. In den  „Bagatellen“ op. 47 für Streicher und Harmonium zeigte das Ensemble ein tiefergehendes Verständnis für die romantische Musik. Auch das Streichquintett in Es-dur gelang, insbesondere während der anspruchsvollen und harmonisch spannenden Variationen im Larghetto, ließ jedoch zum eigentlich fulminanten Schluss den nötigen Nachdruck vermissen. Insgesamt gewann man hier aber positive Eindrücke einer talentierten Nachwuchsgeneration.
(Michael Eder)

"Die Lust des Apuleius", List-Halle Graz, 27. Juni

Ein Mädchen, so über alle Maßen schön, dass es sogar den Neid der Götter erregte, und das nach einigen Verwirrungen zum glücklichen Ende selbst zur Göttin erhoben wird. Sehr lustvoll klingt das, was der Nordafrikaner Apuleius im 2. Jahrhundert nach Christus da in seinen „Metamorphosen“ über die Figur Psyche dichtete. Und doch liegt der Staub von vielen Jahrhunderten auf dieser Literatur, die ihre Altertümlichkeit in keinem Moment verleugnen kann.

Peter Simonischek, der bei der styriarte als Lese-Stammgast schon Texte aller Arten vorgetragen hat, war als Lesender in der Grazer List-Halle mit einigen Teilerfolgen darum bemüht, aus der tendenziell etwas langweiligen Anmut von Apuleius’ Text etwas mehr herauszuholen und doch blieb es lustvoller, sich auf die französische Klaviermusik der vorletzten Jahrhundertwende einzulassen. Es war Musik von Erik Satie und Claude Debussy, deren Modernität heute schwer nachvollziehbar ist, aber deren Einfachheit und Gelassenheit ihre Zeitgenossen vor einige Hörproben stellte.

Ottavia Maria Maceratini spielte Saties „Gnossiennes“ und Debussys „Sechs antike Grabinschriften“ mit Stilgefühl und kombinierte dies mit kostbaren Raritäten aus den Händen von Ferrucio Busoni und Giuseppe Martucci. Das besiegelte letztlich den gänzlichen Sieg unsterblicher Musik über zwar farbige, aber doch etwas antiquierte Literatur.
(Martin Gasser)