Die Oper "Leonora" von Ferdinando Paër hat am Freitag bei den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik am Tiroler Landestheater Premiere gefeiert. Die Wahl dieses Opernwerks, in dessen Zentrum zahlreiche lustvoll-spielerische Gesangspassagen stehen, erwies sich als aussagekräftiger Glücksgriff nach langer Opernabsenz.
Nach 152 Tagen Stille am Tiroler Landestheater stand die "Leonora" in einem neuen Kontext. Der von allen beteiligten Sängern inbrünstig vorgetragene Opern-Schlussgesang, der mit den Worten "An einem so schönen Tag soll überall der Klang der Freude widerhallen" endete, wurde gar zu einem Kommentar auf die derzeitige Post-Lockdown-Situation.
Etwaige Befürchtungen, dass diese überschwängliche Freude, wieder Opern hören zu können, von dem reduzierten und veränderten Bühnen-Setting getrübt werden könnte, erwiesen sich glücklicherweise als unbegründet. Dass sich sowohl Sänger als auch das Orchester auf der Bühne befanden, war womöglich für den musikalischen Leiter Alessandro De Marchi herausfordernd, dem Klangerlebnis tat es aber keinen Abbruch. Der Festwochen-Intendant musizierte mit seinem Festwochenorchester subtil und kräftig und gab der musikalischen Gewitztheit der Oper ausreichend Spielraum.
Die Abwesenheit von aufwendigem Bühnenbild und üppigen Kostümen entfaltete zudem eine bemerkenswerte Wirkung. Die an sich schon simple Geschichte, bei der sich Leonora als Mann "Fedele" verkleidet als Gehilfin des Gefängnisvorstehers einschleust, um ihren Gatten Florestano aus dem Kerker zu befreien, trat dadurch zugunsten der Musik noch weiter in den Hintergrund. An die Stelle räumlicher und historischer Konkretisierungen durch die Inszenierung trat zudem die eigene Imagination.
Berauschender Gesang
Vor allem aber konnte man sich vortrefflich an dem Gesang berauschen. Marie Lys, die in der Rolle der Marcellina der männlichen Kunstfigur "Fedele" verfällt, sang eindrucksvoll mit neckischem und doch abgründigem Unterton. Eleonora Bellocci glänzte wiederum als Leonora und "Fedele" mit Gesangsvirtuosität, die sich in wunderschöne Elegien eingliederte, sobald sie in Duette mit Lys einstimmte. Neben dieser Brillanz verblassten die übrigen Männerrollen, trotz hochkarätiger Besetzung ohne gesangliche Enttäuschungen, beinahe schon.
Das Publikum reagierte mit lautem Beifall für sämtliche Rollen, wobei Bellocci und Lys mit Bravo-Rufen bedacht wurden. Auch der musikalische Leiter des Abends, Alessandro De Marchi, wurde mit ebensolchen bedacht. Diesen ließ man am Freitag im Rahmen des Schlussapplauses auch mit zwei goldfarbenen Luftballons, die die Ziffer 10 ergaben, hochleben. Wenige Tage zuvor war der Vertrag von De Marchi, der bereits seit zehn Jahren als Festwochen-Intendant fungiert, bis 2023 verlängert worden. Ein Ereignis, das wohl auf Publikumszuspruch treffen dürfte.
Markus Stegmayr