In der Steiermark hat man offenbar ein dermaßen großes Selbstbewusstsein, dass der Hinterteil der Grazer Helmut-List-Halle sogar zum Parnass taugt. Von der Tribüne stiegen die sechs Musen herunter zu den vielen Politikern und anderen Menschlichen, die sich zur styriarte-Eröffnung versammelt hatten. Komponistin Flora Geißelbrecht und Librettist Thomas Höft hatten in Kürzestzeit Szenen für sechs Frauenstimmen zusammengestellt, die in ihren besten, subtil subversiven Momenten dezent auf das Konfliktfeld anspielte, das zwischen Politik und Kultur schon immer liegt. Ein paar Momente lang hörte man Echos des Musiktheaters von Kurt Weill und Bert Brecht, um dann wieder in farbigen A-Capella-Harmonien zu mäandern.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen ließ sich von den Gesängen der abenteuerlich kostümierten Musen nicht sonderlich irritieren und bot abseits der offiziellen Eröffnung ein lustiges Extempore über die berühmte Tapetentür, tote Kaiser und Pauken und Trompeten bei Staatsanlässen. Neben Van der Bellen sprachen auch Vizekanzler Werner Kogler, Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer und Kulturstadtrat Günter Riegler – denn zumindest das hat Corona definitiv geändert: Politiker hatten bei styriarte-Eröffnungen traditionell ja wenig bis gar nichts zu reden. Man hielt sich aber vornehm zurück. Dass (inklusive Intendanten Mathis Huber) fünf Festredner den Zeitplan nicht völlig kollabieren ließen, ist so wohl noch sehr selten passiert. Die wahre Hauptsache war ja sowieso die Musik – bei der styriarte ist man wie gesagt traditionell bescheiden, was offiziösen Pomp betrifft und freigiebig bei der Kunst.
Im Festivalzentrum steht neuerdings ja immer wieder Johann Joseph Fux, der Bub aus Hirtenfeld bei Graz, der zum kaiserlichen Hofkomponisten aufgestiegen ist. Die Neuen Volksmusiker der wunderbaren Formation Spafudla zerstörten freundlicherweise Heimatromantik und falschen Lokalpatriotismus und spielten Fuxens Türkenmusik.
Das eigentliche Eröffnungskonzert, das heute noch drei Mal (18, 19.30 und 21 Uhr) in der List-Halle zu hören ist, bestritt das Festspiel-Orchester unter der Leitung von Oboisten Alfredo Bernardini nach dem Musentreffen: Acht Nummern aus Fuxens Musiktheater „Die Ehrbezeigungen der Nacht“, wunderschöne Barockmusik, von Valerio Contaldo mit tenoralem Schmelz und Maria Ladurner mit perlenden Koloraturen und klingender Höhe gesungen. Zwischen das festliche Gepräge und die barocken Wertvorstellungen der Fux-Oper schwindelte Bernardini die Italianità von Vivaldis Konzert „La Notte“, dessen Klangmalereien auf die vielen musikalischen Festivalnächte einstimmten.