„Als rettungsloser Optimist, der ich bin, war unser Modus immer: Wir spielen. Und wir machen das Beste aus der Situation“, unterstrich Mathis Huber bei der styriarte-Pressekonferenz. Bei der Reorganisation und Reduktion des ursprünglich 35, jetzt 22 Projekte umfassenden Festivals habe man versucht, so viele Programme wie möglich zu halten, und nur deren Form verändert. Szenische Produktionen gebe es allerdings keine. Somit auch kein Fux-Opernfest Vol. 3, das auf das 2021 verschoben wird. Mit dem Einakter „Gli Ossequi della Notte“ („Huldigungen der Nacht“), für den die Proben mit internationalen Künstlern schon Anfang Mai beginnen hätten müssen, wären die steirischen Festspiele am 19. Juni eröffnet worden. So geht es erst am 1. Juli los, mit konzertanten Ausschnitten aus der Oper des steirischen Barockmeisters und Vivaldis geisterhaftem Concerto „La notte“. Die Art, wie man dabei Alfredo Bernardini und recreationBarock erleben kann, wird (zumindest in der List-Halle, wo das Gros der Veranstaltungen stattfindet) zur notwendigen Regel der Abende:

Alfredo Bernardini und recreationBarock spielen zum Festival-Auftakt am 1. Juli konzertante Ausschnitte aus der Oper  „Gli Ossequi della Notte“ von Johann Joseph Fux
Alfredo Bernardini und recreationBarock spielen zum Festival-Auftakt am 1. Juli konzertante Ausschnitte aus der Oper „Gli Ossequi della Notte“ von Johann Joseph Fux © Photowerk/Kmetitsch


Die Konzerte ab 18, 19.30 und 21 Uhr dauern jeweils eine Stunde und werden pausenlos für maximal 250 Personen gespielt. Die fixe Bestuhlung besteht aus Einzel-, Zweier- und Dreierplätzen, eine Möblierung dazwischen soll für den entsprechendem Abstand und eine Atmosphäre „wie in einem Salon“ sorgen. Die Maskenpflicht endet nach der Eingangskontrolle. Im Foyer gibt es zunächst für jeden Gast ein Getränk, dann ein kurzes musikalisches Vorspiel. Danach geht es in die Halle, wobei ein Einbahnsystem verhindern soll, dass sich kommende und gehende Besucher treffen. „Wir wollen unseren Zuschauerinnen und Zuschauern möglichst unbeschwert unterhalten und ihnen zugleich das bestmögliche Gefühl der Sicherheit geben“, sagt Langzeitintendant Huber.

„Schönheit entsteht am Rande des Abgrunds“: Mit dem Zitat des 2016 verstorbenen Festivalgründers Nikolaus Harnoncourt, der damit den Mut zum risikofreudigen Musizieren einforderte, wollen Huber und sein Team kommunizieren, worum es ihnen in der styriarte reloaded geht: Dem Publikum und sich selbst als Veranstalter zu ermöglichen, „Momente von Schönheit zu empfinden, weil alle so heftig darum kämpfen mussten, diese überhaupt erleben zu können“.

Für diese Schönheiten sollen wegen der Unsicherheit bei der Reisefreiheit vorwiegend heimische Künstler sorgen. Man hat Glück, dass tragende Säulen wie der Barockspezialist Bernardini und Andrés Orozco-Estrada, der eine Pastorale.Soap und Arien aus Mozarts „Don Giovanni“ jeweils gleich sechs Mal dirigiert, mittlerweile in Österreich (Salzburg bzw. Wien) zu Hause sind. Der Linzer Gambist Lorenz Duftschmid springt bei einem Projekt ein, das Jordi Savall für die styriarte konzipiert hat. Der Katalane kann erstmals seit 1993 (!) nicht dabei sein, allerdings verstärkt seine Tochter Arianna mit ihrem Ensemble Hirundo Maris den „Sommernachtstraum“ in Stübing.

Mezzosopranistin Stephanie Houtzeel singt Schubert
Mezzosopranistin Stephanie Houtzeel singt Schubert © Julia Wesely


Weitere Stammgäste im klug modifizierten Programm: Mezzosopranistin Stephanie Houtzeel, Tenor Daniel Johannsen, die Pianisten Pierre-Laurent Aimard und Bernd Glemser, Peter Simonischek, die Vienna Clarinet Connection und viele Lokalmatadore wie die Pianisten Eva Maria Pollerus und Markus Schirmer, der Flötist Michael Hell & die Hofkapelle, die Sopranistin Tetiana Miyus, Folksmilch, Eddie Luis und die Gnadenlosen, natürlich das eigene styriarte-Festspielorchester und viele mehr.

Die ungewöhnliche Kraftanstrengung, das Festival trotz der coronabedingten Hürden durchzuführen, sei natürlich „eine absurde ökonomische Herausforderung“, gesteht der styriarte-Chef. Statt 30.000 Karten können nur rund 15.000 Karten aufgelegt werden, das Budget liegt statt wie sonst bei 2,85  diesmal bei 2,0 MillionenEuro, wobei man froh sei über die uneingeschränkte Unterstützung der Stadt Graz, des Landes Steiermark und der Sponsoren. Überhaupt noch nicht abzuschätzen sei, wie das Publikum reagiere. Jenen, die sich noch nicht in Konzerthallen wagen, verspricht Huber Livestreams von zehn bis 15 Produktionen, die um 9 Euro und um 60 Euro im Abo angeboten werden. Zudem zeichne der ORF wie gewohnt einen Großteil der Konzerte auf.

Intendant Mathis Huber entwarf innerhalb kürzester Zeit ein völlig neues Konzept für die styriarte 2020
Intendant Mathis Huber entwarf innerhalb kürzester Zeit ein völlig neues Konzept für die styriarte 2020 © APA/Zehetleitner


„Ein spannendes Experiment:“ So sieht es Martin Schaller, Generaldirektor der Raiffeisen-Landesbank. In jeder Branche lechze man nach dem Hochfahren „und gerade auch in Kunst und Kultur, die zu unserem sozialen Leben gehören“. Der Chef des langjährigen Hauptsponsors versprach bei der Pressekonferenz: „Wir sind da, in guten und weniger guten Zeiten“. Und man werde „keine Nullen wegstreichen“, sagte Schaller mit einem augenzwinkernden Seitenhieb auf die Budgetzahlenpanne im Parlament.