Herr Hinterhäuser, am 29. Mai sollen die Pfingstfestspiele beginnen, am 18. Juli die Sommerfestspiele. Sie haben einen Dreistufenplan veröffentlicht. Wie ist die aktuelle Lage?
Markus Hinterhäuser: Wir sind alle im Home Office, soweit es möglich ist, wird an den Produktionen gearbeitet und geplant. Aber es gibt Herstellungsprozesse, etwa bei Bühnenbildern und Kostümen, die jetzt unterbrochen sind. Wann der Normalbetrieb wieder aufgenommen werden kann und ob und in welcher Form wir dann die verlorene Zeit wieder aufholen können, ist offen.
Welche Szenarien sind denkbar?
Hinterhäuser: Es gibt drei. 1. Dass die Festspiele wie geplant stattfinden. 2. Dass sie modifiziert werden müssen. 3. Eine komplette Absage. Die Festspiele beginnen ja schon Wochen vor den Proben. Wir arbeiten an allen möglichen Szenarien für den Ernstfall. Können wir die Probenzeiten verkürzen? Welche Modifikationen können wir an Bühnenbildern und Kostümen vornehmen? Aber man wird sich auch überlegen müssen, ob die Produktionen dann noch in der erforderlichen Qualität realisierbar sind.
Vor allem bei Pfingsten wird es knapp.
Markus Hinterhäuser: Die Proben für Pfingsten sollten am 21. April beginnen, für den Sommer in der ersten Junihälfte. Aber ich kann jetzt keine Prognose abgeben, niemand kann das. Wir haben uns da nach den Vorgaben der Politik zu richten.
Ein Problem ist die Internationalität der Festspiele, der gesamte Flugverkehr ist ja lahmgelegt und nicht nur die Künstler, auch das Publikum kommt aus der ganzen Welt nach Salzburg.
Markus Hinterhäuser: Wenn die Reisesituation tatsächlich so bliebe, wie es jetzt der Fall ist, träfe uns das im Kern. Die Coronakrise hat nicht „nur“ sehr reale Auswirkungen auf unser tägliches Leben, sie hat auch eine gewaltige psychologische Dimension. Die Leichtigkeit, die Freude, die die Festspiele prägen, das alles ist in Gefahr. Diese Krise wird unser Leben und unser Tun fundamental verändern.
Aber wird der Stillstand nicht eine große Sehnsucht nach Kultur befeuern?
Markus Hinterhäuser: Die Sehnsucht wird kommen, ganz sicher. Aber die Folgeschäden sind noch unabsehbar. Von den Salzburger Festspielen bis zur kleinsten Kultureinrichtung sind alle betroffen. Keiner existiert für sich allein, alles wirkt sich auch auf andere aus. Allein die riesige Zahl von Kunstschaffenden, deren Existenz jetzt bedroht ist. Auf lange Zeit wird nichts mehr so sein wie früher.
Das klingt etwas pessimistisch.
Markus Hinterhäuser: Ich bin kein Pessimist, ich versuche nur, die Situation realistisch einzuschätzen. Ich bin skeptisch, dass sich schnell wieder Normalität einstellt. Hunderte Millionen von Menschen sind im Moment aufgerufen, ihr Leben grundsätzlich zu ändern. Wie lange kann das gehen? Es wird eine Exit-Strategie brauchen.
Ihr Arbeitsalltag findet jetzt am Telefon statt?
Markus Hinterhäuser: Am Telefon, bei Videokonferenzen. Ich habe gerade wieder mit Romeo Castellucci konferiert, der den „Don Giovanni“ inszeniert. Er ist seit Wochen isoliert. Aber sollte der schlimmste aller Fälle eintreten und wir alles absagen müssen, werde ich versuchen, so viel Programm wie möglich ins Jahr 2021 mitzunehmen. Ich werde ganz sicher keine einzige der heurigen Produktionen vernichten.