Tom ohne Jerry, Batman ohne Joker, Holmes ohne Moriarty: nicht einmal der halbe Spaß. Kein Wunder also, dass die Fans des SK Sturm (siehe: Tom, Joker, Moriarty) Sehnsucht nach dem GAK äußern. Live auf der Bühne und in Videozuspielungen sieht und hört man sie hoffen. Auf ein Derby, und damit auf den baldigen Wiederaufstieg des GAK in die Bundesliga. Erwischt!
Aber eh klar: Ohne Batman ist der Joker nur ein armer Irrer, ohne GAK der SK Sturm nur eine mittelmäßige Mannschaft in einer der unbedeutenderen Ligen des europäischen Fußballs. Doch in der Stadt zählt „Bist Du GAK oder Sturm?“ zu den großen Entscheidungsfragen. Seit Freitag ist sie auch der Stoff einer Schauspielhaus-Produktion mit Amateuren, die deklarierte Fans beider Mannschaften sind.
Entlang einer fiktiven Familienfeier, in der erwartungsgemäß bald die Gräben zwischen Rotn und Schwoazn aufbrechen, geht es im Stück um Fan-Folklore und Klubgeschichte, um Stadionstreit, Graffitikriege, Männlichkeitsrituale und Aggression auf den Tribünen. All das haben Regisseur Ed. Hauswirth und seine Protagonisten mit Anekdoten und biografischen Schnipseln, mit Recherchen in den Fanmilieus, mit Songs und Choreos und unverhofften Gastauftritten ehemaliger Kicker (Ewald Ratschnig!) ausführlich und trotz ein paar Längen sehr hübsch garniert.
Bald aber biegt das Stück ab zu den größeren Fragen: Wieso ist man zu wem loyal, warum ist der Gegner nur als Feind denkbar, wie weit eint ein gemeinsamer Widersacher („BUL! LEN! SCHWEI! NE!“), und ist Fantum auch charakterbildend?
Ziemlich, insinuieren die eingespielten Videointerviews. Da zeigt sich einerseits die Larmoyanz des schlechten Siegers, der sich immer wieder selber erzählen muss, wie super er ja eh ist. Andererseits offenbart sich, wie sportliches Unglück (in Konkursen führt der GAK gegen Sturm 4 : 1) Zusammenhalt und Identifikation von Anhängerschaft und Mannschaft stärken kann: Der GAK ist gerade sechsmal hintereinander aufgestiegen, und auf den Charme des Underdogs spricht längst auch neues Publikum an: „GAK, das ist irgendwie Punk“, bringt es eine grundsympathische junge Frau auf den Punkt. Schön konsequent: Zum Finale mündet das Stück in ein Wutzel-Derby der Mitwirkenden. Bei der Premiere gewann der GAK mit 6 : 5. Fast schöner als das 1 : 1 gestern gegen Blau-Weiß Linz. Ute Baumhackl
Es hätte so schön sein können: Der Vati feiert den 60er, die Deko bis zu den geschmackvoll schwarz-weiß gestreiften Servietten ist perfekt. Nur die Schwiegertochter mit rot eingefärbtem Fußballhorizont wird zum Störenfried. Die vom Grazer Norden verhunzte Feier am Beginn von „Sturm oder GAK?“ sagt schon alles.Wo Schwarze und Rote aufeinandertreffen, gibt es Diskussionsbedarf. Das ist mühsam, weil beide Seiten aus Überzeugten bestehen und die Vernunft gegen die Passion chancenlos bleibt.
Im Mittelteil wird das für echte Schwoaze echt anstrengend, weil sattsam bekannte GAK-Stilisierungen unwidersprochen bleiben, weil die wehleidigen Nervensägen und ihr Gerede von den „Zweitgeborenen“ aus Sicht des Sturmfans so unterhaltsam sind wie Spiele seiner Mannschaft in der Euro-League-Quali. Es ist ein altes Problem von GAKlern, dass sie ihren rein objektiv zweitklassigen Klub und dessen viele Probleme immer wichtiger genommen haben, als sie sind.
Aber was will man schon über Leidenschaft diskutieren? Ironie hat im Fan-Getue so viel Platz wie die Roten in der Champions League. Also rückt Regisseur Ed. Hauswirth aus, um dem Geschehen Distanz zu geben und es in ein paar schöne, auch liebevolle Bilder zu fassen. Mit Street-Fighting-Men und einem Wald aus Klubschals, mit Fangesängen und Gaststar Klaus Salmutter, der einen Ball wieder und wieder gegen eine Wand drischt, gelingt Hauswirth und seinen wunderbaren Laiendarstellern von der BürgerInnenbühne Starkes.
Die schönsten Sätze des Abends sind Ex-Sturmkicker Salmutter vorbehalten: „Ich war zwei Mal Meister. Einmal als Fan, einmal als Spieler. Als Fan war es schöner.“ Treffender kann man das Fan-Dasein nicht zusammenfassen, und die Quälgeister aus Geidorf nimmt man für das Gefühl gern in Kauf. Es ist ein Abend, der Fans auf althergebrachte Art des Aufklärungstheaters den Spiegel vorhält. Ist man wirklich so verstockt parteiisch? Ist der Balken im eigenen Auge tatsächlich so winzig im Vergleich zum gigantischen Splitter im Auge des Anderen?
Wo Differenzierung versagt, muss es eben die Konfrontation richten. Am Schluss gibt es ein Derby mit Julia Franz Richter als Schiedsrichterin, deren Objektivitätsbemühungen im Trubel niedergehen. Bei der Premiere siegte der GAK. Der Deus ex Machina für Sturm-Fans, er heißt in diesem Fall wohl „die Realität“. Martin Gasser