„Schließen Sie Ihre Augen, Sie sehen hier etwas, wie nicht sehen dürfen“, heißt es zum Auftakt des Stücks. Es ist nur ein Sarkasmus unter vielen, schließlich hat „Schwarzwasser“ einen seiner Dreh- und Angelpunkte ja auf der Balearen-Insel Ibiza. Das dort entstandene Video wurde zum deutlichsten Beleg dafür, wie schamlos nicht nur HC Strache von der Täter- in die Opferrolle schlüpfen kann. Aber er wurde lediglich zu einer unter vielen Symbolfiguren für hemmungslosen Machtrausch einerseits, für die permanente Beteuerung, den "einfachen und anständigen Menschen“ zu den ihnen gebührenden Rechten zu helfen, andererseits. Rechten, in der Tat. Denn diese der Wirklichkeit entlehnte Bestandsaufnahme führt vor Augen, wie rasch und wie leicht der Virus des rechtslastigen Denkens und Handels um sich greift, wie anfällig sich die Gesellschaft zeigt, sich erneut davon anstecken zu lassen.
Brauner Sumpf
Elfriede Jelinek schuf einen schier endlosen Monolog. Sie blickt, wie von oben, zynisch, treffsicher, pointiert, kopfschüttelnd, aber zum Teil auch resignativ auf diesen Herdentrieb, der wieder mitten hinein in den braunen Sumpf führt. Ein gigantischer Textbrocken, reich an Anspielungen, aber ohne namentliche Nennung von Figuren. Man kennt sie ohnehin allesamt. Gespannt durfte man natürlich sein, wie der deutsche Regisseur Robert Borgmann diesem Sprachmassiv beikommt und wie er es in Dialogform bringt. Ein schwieriges Unterfangen, klug und bilderreich in die Tat umgesetzt. Die Abrechnung mit den Scheinheiligen wurde aufgelöst in kabarettistische Sequenzen, Slapstick, Parodien, bei denen auch der Kanzler etliche Spritzer abbekommt, eindringliche Chorpassagen, barocke Idylle, pseudofromme Singspiele. Und auch der oscarreife „Joker“ kam zu Auftrittsehren. Stets aber schwingt dabei das Grauen und Horror mit, da mag es noch so fröhlich vom Regen in die Jauche gehen. All das ist verzahnt mit Elementen antiker Dramen, den blutigen Freudenfesten, den Opferritualen.
Gesicht der Realität
Hoch motiviert und enorm wandlungsfähig rudert das Ensemble durch dieses „Schwarzwasser“, stets auf die eigene, weiße Weste bedacht. Ganz und gar herausragend: Caroline Peters, Martin Wuttke und Christoph Luser. Ein wichtiges Stück zur rechten Zeit. Es zeigt das wahre Gesicht der Realität - es ist eine höhnisch grinsende Fratze. Und es ist das bisher bedeutsamste Werk der Ära des Burgherrn Martin Kušej, mehrmals durch Szenenapplaus gewürdigt, am Schluss mit etlichen Bravorufen honoriert.
Werner Krause