Die schlechte Nachricht ist hier auch die gute Nachricht: Alle Zählkarten für das Auftaktsymposion des Grazer Kulturjahres heute im Stefaniensaal sind bereits weg. Ausgebuchte Events sind für Veranstalter bekanntlich immer Good News. Umso mehr bei einem durchaus ungewöhnlichen Programm: Die Vorträge, die heute auf das Kulturjahr einstimmen sollen, drehen sich um Themen wie Klima, Big Data, Mobilität, Stadtentwicklung, künstliche Intelligenzen.
Die kommen zwar auch im laufenden Kulturbetrieb durchaus vor. Hier aber rücken sie ins Zentrum, als Aushängeschilder eines für Graz neu formulierten Kunst- und Kulturbegriffs, der alle Bereiche der Gesellschaft durchdringen soll. Unter dem Jahresmotto „Wie wir leben wollen“ sollen 94 ausgewählte Projekte in fünf Themenfeldern der Grazer Bevölkerung vermitteln, „dass solche Themen wichtig sind und dass es stets auch das eigene Leben betrifft, wenn wir von der Zukunft reden“. So formuliert es Christian Mayer, Programmmanager von Graz 2020.
Auf „Breitenenergie“ hofft folgerichtig auch der Grazer Kulturstadtrat Günter Riegler (VP), der Graz 2020, auch durchaus in Reibung mit dem kommunalen Koalitionspartner FPÖ, auf die Beine gestellt hat: Das Programm solle „langfristige inhaltliche Auseinandersetzung mit der Stadt statt kurzfristiger Wow-Effekte“ auslösen.
Was wäre ein erster Erfolg? „Wenn sich zeigt, dass sich die Bewohner der 17 Grazer Bezirke tatsächlich einladen lassen, beim Kulturjahr mitmachen; wenn also nicht nur die üblichen 1500 bis 2000 Leute am Programm teilnehmen und es eine echte Bürgerbeteiligung gibt.“ Dann könne sich Riegler auch vorstellen, „dass wir uns an eine Fortsetzung herantrauen, dass das alle paar Jahre wiederkehrt“.
Partizipation, Bürgerbeteiligung, kennzeichnet einen Großteil der Projekte. Mit teils enormem Zulauf: Für „The Graz Vigil“ auf dem Schlossberg etwa haben sich bereits 590 Grazerinnen und Grazer gemeldet, um dort die insgesamt 732 Sonnenauf- und -untergänge des Jahres zu beobachten.
Community Art, Upcyclingworkshops, Gartengestaltung, Kulinariktreffpunkte: Wenn es an Graz 2020 vorab Kritik gab, dann an der Breite des Kulturbegriffs. Genau der sei aber ein „Schlüsselanliegen“ der Programmierung, sagt Riegler, „es geht auch darum, das Kulturgeschehen aus der üblichen Links-rechts-Logik herauszulösen und verständlich zu machen, dass Kultur für uns alle die geistige Grundnahrung ist. Es macht mir Sorgen, wenn die Leute das Gefühl haben, Kunst und Kultur seien elitäres Zeug, das mit ihrem Leben nichts zu tun hat.“
Niederschwelligkeit ist also Programm. Auch in der Kulturvermittlung: Die obliegt nämlich den Projektträgern selbst. Sollte sich das als nicht praktikabel erweisen, will Riegler im Bedarfsfall nachjustieren und zu den fünf Millionen Euro Programmbudget noch weitere Mittel lockermachen.