Eines vorweg: Der programmierte Aufreger war dann doch keiner. „Jö, schau! Ein Nackerta im Burgtheata“ lautete der Titel eines Kommentars im „Kurier“, der die Tatsache aufgriff, dass auf der Burgtheater-Bühne (Daniel Roskamp) ein echtes, unbekanntes Pärchen aus der sogenannten Sex-Positive-Bewegung kopulierte, gefilmt wurde und die Bilder auf die Leinwände projiziert wurden. Das Grande Finale des Akts zweier junger, ästhetischer Körper wurde einer Sterbeszene großartig gegengeschnitten – der Orgasmus als Sinnbild des kleinen Todes. Die Echtheit des Akts? Bleibt Bühnengeheimnis.
Die Ekstase war nur eine von vielen Assoziationen der Uraufführung „Dies irae – Tag des Zorns“, vom Burgtheater als Endzeitoper angekündigt. Vielmehr hievte der designierte Volkstheater-Direktor Kay Voges mit Dramaturg Alexander Kerlin und Musiker Paul Wallfisch – er kommt mit ans Volkstheater – einen reizenden, rotierenden Revuetheater-Reigen weitab einer Oper auf die Bühne. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Im Zentrum der Inszenierung steht eine Drehbühne, darauf ein Endzeit-Konstrukt aus Flugzeugrumpf, Stundenhotel, Stiegen und Kreißsaal, das sich immerfort im Kreis dreht und dabei die Themen Tod, Geburt, Totgeburt und Auferstehung zwei kurzweilige Stunden lang nicht anpackt, sondern stoisch, harmlos und mitunter redundant umkreist. Die leuchtenden Lettern am „Hotel“ geben die Richtung vor: einmal ist „Ende“ zu lesen, ein anderes Mal bei gekipptem N das Wort „Eden“.
Zwischen diesen beiden Zuständen im Schwebezustand einer Boeing 737 der Air Magedon sollte der Abend angesiedelt sein, dem Voges mit einer rastlos bis unterhaltsamen Überwältigungsmaschinerie begegnet – man könnte auch sagen: ausweicht. Der Inhalt wird von wummernder bis beliebiger Musik (Larry Mullins alias Toby Dammit, Simon Goff, Paul Wallfisch, versteckt vor dem Publikum), einer Opernsängerin (wie von einer anderen Welt: Kaoko Amano) sowie einer Wulst an Zitaten und Referenzen überlappt. Diese reichen von Walter Benjamin bis zur Bibel, von CNN bis Hugo von Hofmannsthal, von Stephen Bannon bis Nietzsche. Bei jeder Runde, so scheint es, wird das apokalyptische Kopfkino mit altem oder frischem Stoff gefüttert.
Auf der Suche nach Emotion
Eine zusammenhängende Erzählung fehlt, es geht um Emotionen – die großen. Den Schauspielern wird dafür aber wenig Raum gelassen. Florian Teichtmeister darf als Pilot namens Roger Whitaker glänzen, Markus Meyr als tänzelnder Fährmann und Katharina Pichler und Mavie Hörbiger geben in slapstickartiger Manier mit Knollennasen zwei Beckett-artige Gesellinnen ab.
Zum Ende gibt es einen Best-of-Cut des Abends. „Das Ende kommt“, ruft jemand. „Das Ende?“ Antwort: „Vermutlich.“ Im Wort Vermutungen steckt Mut, dieser bildmächtigen Inszenierung fehlt er – Sex hin oder her. Freundlicher Beifall.