Zum ersten Mal wurde die Reihenfolge geändert und das neue Programm - zur Freude der Festspiele und deren Besucher - zuerst in Bregenz gespielt. Ab 25. September erklingt der Brahms-Zyklus dann - inklusive CD-Einspielung - im Symphoniker-Abo im Wiener Musikverein. Dass die Symphoniker mit ein und demselben Dirigenten alle vier Symphonien von Johannes Brahms (1833-1897) zyklisch aufführen, hat es seit über 60 Jahren nicht mehr gegeben. Zuletzt fand dieses Ereignis in der Saison 1958/59 unter dem legendären Wolfgang Sawallisch statt.

Wie schon in der Sonntagsmatinee bei den beiden Brahms-Symphonien Nr. 1 und Nr. 2 ging der designierte Musikdirektor der Wiener Staatsoper auch im zweiten Teil der Reihe wohlvorbereitet und konzentriert zu Werke. Philippe Jordan dirigierte alle vier Symphonien auswendig und benötigte kein Dirigentenpult für die Partitur. Umsichtig, präzise, energisch fordernd oder elastisch abfedernd, Jordan blieb durchgehend im engen Kontakt mit den in Hochform aufspielenden Symphonikern. Bildlich gesprochen wurde gemeinsam ein feingewirkter, edler Brahms-Brokat gewoben. Dazu haben alle Orchestergruppen von den exzellenten Streichern (Konzertmeister Sophie Heinrich bzw. Jan Pospichal) bis zu den grandiosen Holz- und Blechbläsern wesentlich beigetragen. Großen Beifall und Jubel gab es nach beiden Konzerten für die Symphoniker als sommerliches Bregenzer "Hausorchester" und Jordan.

Die symphonischen Sommerfreuden im Sonntags-Konzert mit den Brahms- Symphonien Nr. 1 c-Moll (1876) und Nr. 2 D-Dur (1877) wurden Montagabend zur Freude des Festspiel-Publikums prolongiert. Die später entstandenen Brahms-Symphonien Nr. 3 F-Dur (1883) und Nr. 4 e-Moll (1885) entwickelten in der klaren Interpretation durch Jordan mit Streicher-Wohlklang und Bläser-Glanz viel romantisches Hochgefühl. Hinreißend, wie die Symphoniker die Brahms-Kompositionen zum Leben erweckten und die kleinsten musikalischen Motive in zahllosen Variationen zu einem bunten und glänzenden Hörerlebnis verwoben und verflochten.

Nichts mehr zu spüren von altväterlicher Romantik, in dieser Interpretation und Lesart wird Brahms glaubhaft zum Vollender klassisch-symphonischer Tradition des 19. Jahrhunderts und bei allem Beharren auf Tonalität zugleich zum Wegbereiter für die Moderne des 20. Jahrhunderts. Immerhin war etwa ein Arnold Schönberg von der Fortschrittlichkeit der kleinteiligen und komplexen Kompositionsweise von Brahms sehr angetan.