Wenn ihr etwas niemals angeboten werde, dann wäre es die Buhlschaft. Da war sich Valery Tscheplanowa noch vor fünf Jahren sicher. Jetzt steht sie in wenigen Tagen neben Tobias Moretti als genau diese im "Jedermann" auf dem Salzburger Domplatz. Zeit über eine Rolle zu sprechen, die sie bei den Salzburger Festspielen bisher weder gespielt, noch gesehen hat.
Frau Tscheplanowa, waren Sie wirklich noch nie in einer Domplatz-Aufführung?
Valery Tscheplanowa: Nein, ich habe keine Ahnung wie es ist, da draußen zu spielen und ich habe mir auch letztes Jahr keinen "Jedermann" angesehen.
Aber die Stadt und den Domplatz kennen Sie trotzdem vom letzten Jahr, als Sie bei den "Persern" mitgespielt haben?
Natürlich. Die Stadt hat eine starke Energie, und diese Energie bündelt sich natürlich auf dem Domplatz. Das ist ein Erlebnis. Das bedeutet auch sehr viele Zuschauer, aber ich glaube, es ist trotzdem möglich, dort viel Aufmerksamkeit an sich zu ziehen. Darauf bin ich auch schon sehr, sehr gespannt.
Und Temperaturen von 40 Grad im Ernstfall können Ihnen auch nichts anhaben?
Davon habe ich schon gehört, aber meine Auftritte sind ja sehr kurz, da bin ich fein raus. Da hat Tobias Moretti mehr zu kämpfen.
Apropos Tobias Moretti, wie läuft Ihre bisherige Zusammenarbeit denn?
Ich bin sehr überrascht, dass mir so viel Raum gegeben wird. Das heißt, wir proben wirklich so, wie in einer klassischen Theaterprobe. Ich sage meine Gedanken und wir tauschen uns aus. Er ist sehr geduldig und neugierig.
Das heißt, Sie können sich so einbringen, wie Sie es gerne möchten?
Ja. Ich dachte es wäre tougher. Ich dachte, ich müsste mir jetzt innerhalb von 2 Tagen mehr drauf schaffen.
Greift Moretti denn stärker in die Proben ein als Sie?
Das ist ein sehr höflicher Geselle, finde ich. Natürlich trägt er viel Verantwortung im Stück, ich empfinde ihn aber als sehr kollegial und neugierig.
Gehen Sie an den "Jedermann" wie an jedes andere Stück heran, oder eher an eine theaterhistorische Kuriosität?
In meinen Augen ist es eher eine Zeremonie, und das Zentrum ist das Beschwören des Todes oder das gemeinsame Nachdenken über den Tod. Und alle Passagen, die darum kreisen, interessieren mich sehr stark. Das auf einem Domplatz zu machen, noch dazu in einer Gemeinsamkeit und unter freiem Himmel, das stelle ich mir schon sehr aufregend vor.
Sie bereiten sich mit einem intensiven Videostudium der bisherigen Inszenierungen vor, haben Sie etwas besonderes dabei gelernt oder entdeckt?
Was mich überrascht hat, ist die Struktur. Das heißt, dass diese Abschiede doch so gleichberechtigt sind, und das empfinde ich als sehr klug. Es wird nun natürlich mehr Theater um die Buhlschaft gemacht, aber die Guten Werke oder der Mammon haben genau so viel Raum, und ich empfinde es als eine kluge Setzung, dass im Leben die Dinge gleichberechtigt nebeneinander stehen. Damit meine ich das Verhältnis zur Gesellschaft, das Verhältnis zur Mutter und das Verhältnis zur Liebe. Das ist für mich etwas sehr Modernes am Stück.
Wie verträgt sich denn dann die Buhlschaft-Rolle mit ihrer Auffassung als moderne Schauspielerin?
Ich lasse den Text dort, wo er ist. Der Text ist privat, und da finde ich eine knappe Sprache auch wunderbar. Sie macht ein Bekenntnis, und das wird durch die knappe Sprache noch stärker. Das heißt auch, die Modernität findet hier nicht so recht Platz, weil es eben privat ist. Ich glaube, so wie immer gestorben wird und es kommt nicht aus der Mode, wird auch immer geliebt, und es kommt auch nicht aus der Mode. Das lässt sich auch nicht modernisieren, denn das, was ich als Frau mache und auch als Schauspielerin, dass ich beispielsweise Männer spiele und ein sehr selbstbestimmtes Leben führe, das ist etwas gesellschaftliches, und das was hier passiert, ist etwas zwischen zwei Menschen. Das verändert sich, glaube ich, auch nicht wirklich.
Stefanie Reinsperger hat in den vergangenen zwei Jahren als Buhlschaft schon versucht, die Figur mit Selbstbewusstsein und Heutigkeit auszustatten.
Ich versuche wirklich nicht darüber nachzudenken, sondern die Szene erstmal zu greifen. Natürlich bewege ich mich jetzt, glaube ich zumindest, nicht wie so ein Hascherl (lacht). Das heißt, meine Präsenz als Mensch muss sich nicht verändern. Aber ich würde es gerne schaffen, bei diesem Liebesthema zu bleiben. Ich möchte wirklich ausdrücken, dass da ein Mann in Not ist, dem der Tod nah rückt, und die Frau muss sich dazu verhalten. Ich habe Gert Voss sehr geschätzt, und seine Frau verstarb kurz nach ihm. Als Tobias Moretti und ich uns begegnet sind, haben wir darüber gesprochen, ob es eigentlich schön oder schrecklich ist, wenn der Mensch einem wirklich nachfolgt. Dieses Thema ist für mich universell und hat gar nicht so viel mit Stärke zu tun. Ich finde es genauso stark nicht mitzukommen, wie mitzukommen. Ich finde es auch schwach, dass sie nicht mitkommt.
Sie haben einmal gesagt, die Rolle der Buhlschaft ist eigentlich keine Rolle, sondern ein Auftritt.
Ja, und es ist genau dieses Buhlen. Ich finde es sehr wichtig, dass die Mutter vorher kommt und sagt: "Was ist denn nun mit dem Heiraten?" Und dann kommt die Buhlschaft und holt den Jedermann ab, und im ersten Satz spricht sie auch vom "Führen zu seiner Pflicht". Das heißt, da findet ein Gespräch zwischen Mann und Frau statt: "Gehen wir jetzt weiter, oder nicht?" Und die Brisanz bekommt es auch durch die Todesnähe. Sie setzt ihm ein bisschen die Pistole auf die Brust: "Meinst du es ernst mit mir, oder nicht?" Es riecht danach, als hätte er einige Buhlen, und nun hat sie sich aufgerafft und ist gekommen, um ihn zu holen und die Sache zu klären. So wirkt es zumindest auf mich.
Dann schließen wir hier doch mit der Gretchenfrage: "Wie halten Sie es selbst mit Religion?"
Das ist eine tolle Frage. Das finde ich wichtig. Ich gehöre keiner Religion an, ich bin aber russisch orthodox getauft. Ich interessiere mich wirklich für alle Religionen, die es auf dieser Welt gibt. Dieser religiöse Gedanke oder die Erpressung vielleicht auch, die in der Religion drin ist oder der Druck, dass wir bewusst damit umgehen, das ist interessant. Auch im "Jedermann" und auch jedes "um Christi Willen" schaue ich mir genau an und überlege wirklich, ob ich das sagen will oder nicht, und ob ich das brauche oder nicht. Ich finde es wirklich wichtig damit achtsam umzugehen.
Larissa Schütz